Bei der Sanierung eines alten Gebäudes setzen Denkmalschutzauflagen oft enge Grenzen. Allerdings ist in den letzten Jahren angesichts des eklatanten Wohnraummangels bei den Denkmalschutzbehörden eine größere Kompromissbereitschaft zu beobachten, wenn die Sanierung der Schaffung neuer Wohnungen dient.
So auch beim Wasserturm in Delitzsch, der zum einen umfassend restauriert, zum anderen durch einen halbrunden Wohntrakt ergänzt wurde, aus dem sich der Turmschaft nur auf einer Seite herausschält. Der eigentliche Speicher und das markante Turmdach mit Laterne bleiben weiterhin auf allen Seiten sichtbar.
Die von einer Mauer mit fünf Türmen umgebene Altstadt von Delitzsch wird von Bauwerken aus der Renaissance, dem Barock und der Gotik geprägt. Ein großer Teil des alten Stadtkerns steht unter Denkmalschutz.
Auch der Wasserturm Delitzsch ist denkmalgeschützt. Seit seiner Fertigstellung im Jahr 1904 war er eines der bedeutendsten Wahrzeichen der Stadt. Nachdem er um die Jahrtausendwende seine ursprüngliche Funktion verloren hatte, stand er lange Zeit leer, was zu einem allmählichen Verfall führte.
2020 begann eine großangelegte Sanierung nach Plänen des Leipziger Projektentwicklers Quaterback Immobilien AG. Dabei wurde der 44 m hohe Turm an seiner stadtzugewandten Seite von einem Neubau mit gläsernem Treppenhaus flankiert, um neuen Wohnraum zu schaffen. Neben Wohnungen im oberen Preissegment entstand ein Boardinghouse, dessen Appartements an Feriengäste und Geschäftsreisende vermietet werden.
In der neunten und zehnten Etage wurde ein exklusiver Gastronomie- und Eventbereich eingeplant, zu dem zwei attraktiven Außenterrassen mit Rundumblick gehören. Ebenfalls in den Eventbereich einbezogen, überragt der erneuerte Wasserspeicher mit Turmkuppel das flankierende Gebäude und ist als Wahrzeichen weiterhin sichtbar.
Den Auftrag für die Ausführung des Projekts erhielt die Landbau Ellenburg AG, die neben konventionellen Massivbauten auch klassische Holzgewerke und Dachstühle ausführt.
Für das Ellenburger Unternehmen lagen die Herausforderungen nicht nur in der Dimension des Projekts, sondern auch in der komplexen Geometrie der konkav geschwungenen Massiv-Außenwände, die die Turmsilhouette aufnehmen. Ebenso anspruchsvoll war die präzise Verbindung von Alt und Neu: Mit vorgefertigten Betonfertigteilen wurde der Turm, der sich scheinbar aus dem Wohngebäude herauslöst, nahtlos angeschlossen – so konnte der Turmschaft auf jeder Etage als zusätzlicher Raum in die Wohnung integriert werden.
Auch beim originalgetreuen Wiederaufbau des Dachs setzte man in Ellenburg auf Vorfertigung. Michael Tauchnitz, bei Landbau Ellenburg für den Dachstuhl zuständiger Zimmermeister, plante die nahezu runde Dachkonstruktion per CAD-System. Anschließend wurden die dreieckigen Dachelemente in der Werkhalle produziert und auf die Baustelle geliefert: „Eine gewisse Herausforderung war es dabei, die 15 Gratsparren oben so zusammenzuführen, dass ein harmonischer Abschluss entsteht. Den Anker bildet dort ein Stahlring, auf dem die Turmlaterne steht.“
Da das Dach im ehemaligen Wasserspeicher bis in den First offen ist, dient die transparente Turmlaterne als Lichtquelle und attraktiver Blickfang. Dies vor allem auf der Galerie im oberen Stockwerk des Gastraums, die zusätzlich durch vier Gauben im Turmdach belichtet wird.
Im Zuge der Sanierung verlegten die Zimmerer von Ellenburg Landbau auf der Holzschalung eine L+D Pro Bahn als luftdichte Ebene unter der Aufsparrendämmung. Der wandbündige Dachanschluss erleichterte die Verklebung über der Fassade, die später unter dem Außenputz verschwand.
Als Dämmung kamen LITEC GS Gaubensanierungsplatten von Linzmeier zum Einsatz (122 mm, U-Wert 0,21 W/m²K). Die alukaschierten PU-Hartschaumplatten mit 22 mm P5-Deckschicht dienten zugleich als Unterkonstruktion für die Blecheindeckung.
Vorgefertigte Zuschnitte ermöglichten präzise Passungen der schrägen Dachsegmente und minimierten Verschnitt. Zimmerermeister Michael Tauchnitz schätzt an den Linzmeier-Dämmelementen besonders die hohe Maßhaltigkeit, Druckstabilität und einfache Verarbeitung, weshalb sie seit Jahren bevorzugt eingesetzt werden.
Die nach historischen Fotos rekonstruierten Turmgauben entstanden nicht in Ellenburg, sondern als maßgefertigte Sonderanfertigung bei Linzmeier. Auf Basis der Architektenzeichnungen und CAD-Daten von Michael Tauchnitz wurden sie in Riedlingen per CNC-Technik präzise an den neuen Dachstuhl angepasst.
Dank digitalem Datenaustausch ließ sich die komplexe Geometrie der runden Gauben exakt umsetzen – inklusive statischer Abstimmung und Freigabe durch den Architekten. Produziert wurden die Elemente auf einem Fünfachs-Bearbeitungszentrum, die gebogenen Bauteile aus verleimten Holzwerkstoffplatten gefertigt.
Aufgrund der engen Radien kam statt PU eine Mineralfaserdämmung zum Einsatz. Die Gauben wurden weitgehend vormontiert geliefert, größere Elemente für den Transport geteilt.
Michael Tauchnitz erinnert sich noch gut, „wie hervorragend die Gauben auf das Dach passten. Auftraggeber und Architekt waren mit dem Ablauf von der Planung bis zur Fertigstellung sehr zufrieden.“
Nach der Montage blieb für die Zimmerereiabteilung von Landbau Erlenburg noch die Komplettierung der luftdichten Ebene: „Dazu verklebten wir die überstehenden Enden der L+D Pro Bahn, die unter der Gaube lag, von innen mit den Gaubenwangen. Am Ende verschwand die Folie unter dem Trockenbau.“ Die Zimmerer aus Erlenburg versiegelten das Dach abschließend mit Bitumenbahnen, bevor sie die Baustelle räumten. Die Blecheindeckung übernahm ein externer Spezialbetrieb.
Dach, Laterne und Gauben bilden heute von außen wie von innen einen ganz besonderen Blickfang am Wasserturm in Delitzsch. Dabei überzeugen die Gauben nicht nur optisch: Dank CAD-Konstuktion und Vorfertigung sind sie hochpräzise, kostengünstig und waren schnell zu montieren.