Die Bäume wurden 2012 gepflanzt und über mehrere Jahre hinweg so geleitet, dass sie V-förmige Stützen bilden und sich in einem „Dachfirst“ in der Mitte treffen. Die daraus entstandene Struktur aus Stämmen und Ästen gab die Form des Daches vor. Für die Dachkonstruktion mit einer Fläche von 57 m² wurde ein ca. 800kg schweres Raumfachwerk aus 8 mm starkem Baustahl konstruiert, das vollständig von den Bäumen getragen wird. Die Dachhaut besteht aus glasfaserverstärkten Kunststoffschindeln. Die Äste der Bäume wachsen aus dem offenen First und verleihen dem Raum eine einzigartige Atmosphäre. Das Bauwerk ist ausschließlich durch Wurzeln im Boden verankert.
Im Vergleich zu Bauwerken aus industriellen Baustoffen verändern sich baubotanische Bauwerke aus lebenden Bäumen dynamisch. Dies bietet in allen Lebensphasen große ökologische und gestalterische Potentiale, steht aber auch im Gegensatz zu heute üblichen Entwurfsprozessen, die in der Regel auf Standardisierung und Normierung aufbauen und eine finale Fertigstellung anstreben. Die Gestaltung lebender Architektur erfordert einen neuen, prozessbasierten Ansatz, der die Komplexität des pflanzlichen Wachstums respektiert. Das Projekt setzt hier auf technologische Entwicklungen im Bereich des 3D-Scannens, der Wachstumsmodellierung und des parametrischen Entwerfens. Das großteils aus Studierenden bestehende Designteam nutzte photogrammetrische Punktwolken, um das Raumfachwerk an die natürlichen Formen der Bäume anzupassen. Nach einem Jahr des Wachstums wurden die Schindeln im April 2022 ergänzt. In den kommenden Jahren werden die Bäume weiter mit dem Raumfachwerk verwachsen und so die Stabilität verbessern und zusätzlichen Schatten bieten.
Der konzeptionelle Ansatz des Projekts orientiert sich an historischen Beispielen lebenden Architektur, wie sie bei den Living Root Bridges der Khasi im indischen Bundesstaat Meghalaya zu finden ist. Unsere moderne Interpretation kombiniert wissenschaftliche Expertise mit präziser Dokumentation und ermöglicht langfristiger Planung trotz Unsicherheiten. Wir möchten damit einen Beitrag zu einem Paradigmenwechsel hin zu adaptiven Umwelt-, Sozial- und Kultursystemen leisten, die kontinuierlich im Austausch zwischen digitaler Planung und lokaler Anpassung verbessert werden.