Campus in Conquisitor - Architektur als Instrument einer Identitätskonstruktion


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Diese Objektpräsentation und die dazugehörenden Fotos wurden der Heinze GmbH im Rahmen des Heinze ArchitektenAWARDs 2022 zur Dokumentation beispielhafter Architektur zur Verfügung gestellt.

Objektkategorie

Bildungsbauten

Objektart

Sonstige Bildungsbauten

Art der Baumaßnahme

Entwurfskonzept

Datum der Fertigstellung

03.2022

Tragwerkskonstruktion

Stahlbeton

OBJEKTBESCHREIBUNG 
Das gegenwärtige Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ist noch immer stark geprägt von Strukturen leistungsorientierter Denkmuster. Getrieben vom Druck allgegenwärtiger Vergleichssysteme der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit jedes Einzelnen, beschleunigt der Mensch die eigene Selbstfindungsphase und verliert sich dabei zunehmend selbst. Diese Kommerzialisierung des Seins beginnt bereits in Schulen und kulminiert in den Universitäten. „Leistung“ gilt als gegenwärtige Lehrdevise. Die Universitäten werden zu wissenschaftlichen Großbetrieben und die Studierenden geraten als Individuen schnell in den Schatten eines Systems, das ihnen eigentlich als offene Tür in ein selbstbestimmtes Leben dienen sollte.

Doch was sollte ein solcher Ort stattdessen leisten? Geht es an diesem Ort einzig ums Lernen? Und was bedeutet dies genau: Zu Lernen, und ebenso zu Lehren?

Schüler und Studierende verbringen den größten Teil ihrer Kindheit und Jugend in Schulen und Universitäten. Sie bilden sich, aber vielmehr noch entwickeln sie sich; sie wachsen. Die Schule wird somit zum Rahmen der Persönlichkeitsentwicklung. Herman Hesse begreift in seiner Dichtung „Siddartha“ das selbstständige Leben und ein erfahrungsreiches Bewusstsein seiner Selbst als höchstes Ziel und spricht vom Menschen als dem fortlaufend Suchenden. Sollten demnach so persönlichkeitsprägende Orte wie Schulen und Universitäten dem Menschen nicht hauptsächlich Stütze und Begleiter auf dieser Suche sein und ihm eine weitreichende Auseinandersetzung mit sich selbst ermöglichen? Und sollte das Lernen nicht wieder vielmehr als das verstanden werden, was es im Ursprung ist: Ein Grundbedürfnis des Menschen?

„Was ist Universität?“ - Louis Kahn spricht von der Universität als einem heiligen Ort und verbannt so augenblicklich jede normgeprägte Vorstellung einer Schule. Er löst das Lerninstitut von jeglichen raumprogrammatischen Konventionen und vermittelt stattdessen das Gefühl für einen Ort zum Lernen und der persönlichen Besinnung. Laut Kahn sollte für eine Schule von höchstem Belangen sein, das Individuum im Wesen seines Schaffens zu inspirieren, mit dem Ziel in derssen Ausübung am glücklichsten sein. Er begreift die Universität als Sphäre, innerhalb derer sich die Talente der Menschen entfalten können müssen. Das Wesen der Universität sollte als Ort der Unabhängigkeit und Freiheit, der Einheit von Lehre, Forschung und Studium verstanden werden. Dieser Ort macht das Ereignis des Denkens zu seinem Charakter und ist geprägt vom Austausch der Forschenden und Lehrenden und deren Verhältnis zur Wissenschaft. Es ist ein öffentlich kritischer Ort, der sich um die Frage nach dem Menschen und wie sich dessen Selbst konstituiert, richtet. Demnach ist es die Aufgabe der Universität, ein Bewusstsein für das eigene Selbst zu schaffen.

Der Drang der Selbstverwirklichungen und der Wille sich auszudrücken, begründen das „Sein“ des Menschen. Somit kann der Mensch in seinem Ursprung als schöpferisches Wesen verstanden werden(vgl. Joseph Beuys). Die Universität, eine Akademie, verkörpert den Wunsch des Menschen zu lernen, den Wunsch nach Begegnung und den Wunsch des Wohlbefindens. Sie ist dem Versuch gewidmet, das Wesen des eigenen Daseins, das Verhältnis von Mensch zu Mensch und das Verhältnis zwischen Mensch und Natur zu ergründen. Die Architektur nimmt demnach eine zentrale Rolle bei der Konstruktion von Identitäten ein. So wird sie zu einem der prägendsten Erfahrungsräume unserer Lebenswelt - ein Ort der unmittelbaren und bedingungslosen Begegnung.

Begreift man den Forschungsdrang des Menschen und die daraus resultierenden Wissenschaften als Versuch, das eigene Dasein in ein Verhältnis zur allumfassenden Umwelt zu setzen, so werden alle Wissenschaftler zum selben Ursprung gelangen: Den Daseinsfragen der Geisteswissenschaften und Künsten. Hier setzt mein Entwurf „Campus in Conquisitor“, die Schule der Suchenden, an und lässt als Akademie der Geisteswissenschaften und Künste, losgelöst von der zunehmenden Fragmentieren unserer Gesellschaft , einen autonomen Ort in der Landschaft entstehen, der seine Besucher zum Lernen, Reflektieren und zum stetigen Austausch untereinander einlädt.

Die  Insel Rügen liegt vor der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns und ist Deutschlands größte und bevölkerungsreichste Insel. Sie war einst Teil der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, einem einstigen Staat der im Schatten seiner Ideologie den Bürgern ein freies und selbstbestimmtes Leben erschwerte. Die Insel gründet auf Jahrtausend alten Kalksteinformationen. Im Osten der Insel hat die Natur ein Relikt ihrer unberechenbaren Gewalten hinterlassen: In rauer Schönheit bauen sich hohe Kreidefelsen entlang der Uferkante auf. Die unmittelbare Küstenregion ist hier überzogen mit kilometerweitem dichten Buchenwald, dem Nationalpark Jasmund. Hier, nahe der Küstenfelsen auf einer gerodeten Lichtung, verortet sich der Entwurf.

Das  Ateliergebäude, das Wohngebäude und der Pavillon legen sich als Campus-Ensemble an den Rand der Lichtung und rahmen diese als offenen Kommunikationsraum. Im Inneren der Gebäude ermöglichen die freien Grundrisse weitläufige Blickbeziehungen unter den Raumzonen, die die Studierenden während ihres Schaffens miteinander kommunizieren und sich gegenseitig inspirieren lassen. In den Obergeschoss generieren sich intimere Arbeits- und Wohnatmosphären. Der Pavillon ist das Herz des Ensembles, öffnet sich mit allen Seiten zur Landschaft und wird zur Pilgerstätte der Lernenden und Lehrenden. Der weite Raum der Lichtung bleibt entwerferisch scheinbar unberührt. Die Studierenden und Besucher werden über die Zeit jedoch ihre Spuren hinterlassen und zeichnen somit ein Wegenetz über den Ort - das unmittelbare Bild ihres Schaffens. Weit abgelegen von der Lichtung, dicht an den hohen Kreidefelsen gelegen, findet sich das Monument. Über die Baumkronen hinaus zeigt es sich den Menschen von der Küste aus und macht auf den Ort aufmerksam. Ein Bild des Aufbruchs.
BESCHREIBUNG DER BESONDERHEITEN 
Die Gebäudestruktur der Häuser baut auf deren massive Funktionskerne aus Beton. Diese formieren sich im freien Grundriss wie Felsen in der Landschaft. Ihre Postion bestimmt die Bewegung des Besuchers durch das Gebäude, be- oder entschleunigt diese und leitet immer wieder gezielt dessen Blicke. Der organischen, natürlich geformten Steinoberfläche ähnlich, schaffen die Betonkerne situativ Orte im Gebäude und beeinflussen unmittelbar die Atmosphäre der angrenzenden Raumzonen.

Angeregt vom Ort, werden der graue Zement und das graue Steinmehl der herkömmlichen Betonmischung, durch weißen Zement und weißes Kalksteinmehl, einem regionalen Rohstoff, ersetzt. Wie weiße Steinskulpturen legen sich die Gebäude in die Lanschaft. Die Oberflächen der Funktionskerne werden zudem sandgestrahlt und heben sich somit vom glattgeschalten Teil der Gebäude ab. So lassen sie sich im Innen- und Außenraum klar erkennen und beeinflussen deren Atmosphären.

Die vielseitigen Bearbeitungs- und Ausführungsmöglichkeiten des Betons ermöglichen es, die Identität des Ortes in die des Entwurfes aufzunehmen, beide zu vereinen und dem Gebäude so eine ortsbezogene Authentiztät zu verleihen. Somit wird über die Materialität der Nachhaltigkeit der Idee des Entwurfes besondere Bedeutung zuteil: Einen Ort zu schaffen der das höhste Gut unserer Gesellschaft, die Fähigkeiten und das Wissen der Menschen, in sein Zentrum stellt.
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