Die Mitte des Dorfes – Gemeinschaft stiftende Räume auf dem Land

Schulweg 4, 99428 Niedergrunstedt (Weimar)


50.9571089 11.2828195 Schulweg 4, 99428 Niedergrunstedt (Weimar)
Diese Objektpräsentation und die dazugehörenden Fotos wurden der Heinze GmbH im Rahmen des Heinze ArchitektenAWARDs 2025 zur Dokumentation beispielhafter Architektur zur Verfügung gestellt.

Objektkategorie

Veranstaltungsbauten

Objektart

Gemeindezentren

Art der Baumaßnahme

Entwurfskonzept

Datum der Fertigstellung

02.2025

Anzahl der Vollgeschosse

2-geschossig

Raummaße und Flächen

Bruttorauminhalt
14.515 m³
Grundstücksgröße
720 m²
Grundstücksgröße
4.680 m²

Tragwerkskonstruktion

Holz

OBJEKTBESCHREIBUNG 
Im Rahmen einer freien Bachelorthesis wurde sich mit der Frage nach der zukünftigen Mitte im peripheren/ ländlichen Raum beschäftigt und darüber hinaus wie wir als PlanerInnen mit begrenzten Ressourcen und Mitteln die vorhandenen öffentlichen Räume in der Dorfmitte stärken können, sodass sie Gemeinschaft stiften. Besonders vor dem Hintergrund aktuellster Wahlergebnisse in der Region und insbesondere im ländlichen Thüringen ist die Betrachtung abgehängter peripherer Räume ein wichtiges Thema, welches auch Architekt*innen und Stadtplaner*innen betrifft. Eine sehr großes Potenzial bietet die hybride Transformation der Dorfkirchen, da ca. ein Viertel der knapp 2000 evangelischen Kirchen in Thüringen steht leer und viele davon sind nicht einmal aufgeschlossen.

Um auf diese Frage eine beispielhafte Antwort in der Form eines Entwurfes zu finden, wurde sich konkret mit dem Dorf Niedergrunstedt auseinandergesetzt:​ Niedergrunstedt gehört seit der thüringischen Kommunalreform 1994 als Ortsteil zur kreisfreien Stadt Weimar und hat Stand 31.12.2022 540 EinwohnerInnen. Es liegt südwestlich der Kernstadt Weimar auf halbem Wege zur A4. Es handelt sich um ein Straßendorf mit einigen wenigen Nebenstraßen und das Ortsbild ist durch verschiedene Mehrseithöfe mit traditionellem Fachwerk und Natursteinfassaden geprägt. Das historische Dorfzentrum steht seit 1992 als Gesamtensemble unter Denkmalschutz. Für die architektonische Auseinandersetzung wurde das Schulhaus(Baujahr 1836) mit zugehöriger Schulscheune und die Kirche St. Mauritius (Baujahr 1726-1728) bearbeitet. Bei dem Kirchengebäude handelt es sich um eine barocke Kirche, die auf Grundmauern aus romanischer Zeit wieder aufgebaut worden ist. Die Kirche, die auch Lyonel Feininger für das Bild Kirche von Niedergrunstedt aufgefallen ist, zeigt ihre eigentliche Besonderheit erst im Innenraum. Die gut erhaltene Originalbemalung aus dem frühen 18. Jhr. vom damaligen Weimarer Hofmaler Johann Ernst Rentzsch d.J. und der Pyramiden-Kanzel-Altar als regionale Sonderform eines Kanzel-Altars sind nicht nur sehr beeindruckend, sondern auch in diesem Zustand sehr selten zu finden. Während das Schulhaus als Vereinshaus (Hofatelier, Ortsverein lebendiges Niedergrunstedt und Heimatverein Niedergurnstedt) regelmäßig genutzt wird, werden Schulscheune und Kirche eigentlich nur noch für den alljährlichen Adventsmarkt im Dezember genutzt. Alle viertel Jahre versucht der Pfarrer, der insgesamt 13 solcher Kirchen alleine betreut vor Ort einen Gottesdienst zu halten. Auch wenn es sich um ein Denkmalensemble handelt, werden die Gebäude und der Außenraum über den Adventsmarkt hinaus nie als Ensemble wirklich genutzt.

Die grundlegende Idee ist es durch mehrere gezielt angesetzte Interventionen die vorhandene bauliche Kulisse in der Nutzung zu einem Ensemble, einer starken Mitte des Dorfes weiterzuentwickeln. Dabei ist die Reihenfolge der Betrachtung und der architektonischen Eingriffe von Außen nach Innen gedacht. Der Versuch ist, mit neuen und gestärkten Aufenthaltsangeboten im Außenraum die Notwendigkeit baulicher Maßnahmen im Innenraum, speziell in der Schulscheune und der Kirche zu legitimieren. Das Schulhaus dient dabei mit seiner derzeitig schon funktionierenden Nutzung durch mehrere Vereine als Grundstein für alles Weitere.
 
BESCHREIBUNG DER BESONDERHEITEN 
Die hier vorgestellten architektonischen Maßnahmen, verstehen sich als 1. Phase in einem mehrstufigen Prozess, bei dem die Betrachtung auf die weiteren Gebäude des historischen Dorfkerns und den dazwischen liegenden Außenräumen ausgeweitet wird. Konkrete Interventionen sind im Außenraum:​ Die Umgestaltung des Innenhofes, der durch die Setzung von Kirche, Schulhaus und Scheune aufgespannt wird. Zur statischen Unterstützung der nördlichen Kirchenwand und Belebung dieses Außenraumes wurde ein Außenregal entworfen, welches flexibel für Veranstaltungen, aber auch im Alltag (z.B. als Kletterwand und Aufenthaltsraum verwendet werden kann) und darüber hinaus wie ein herkömmliches Regal auch Staufläche bietet. Um das gestärkte und neu erklärte Zentrum mit möglichst wenig Barrieren für alle Zugänglich zu machen, werden östlich und westlich davon Wege über neugepflasterte Rampen und Treppenanlagen mit Handläufen ertüchtigt bzw. neu angelegt. Der ehemalige Schulgarten wird zum Dorfgarten mit 5 Hochbeeten, die gleichzeitig die Böschungssicherung der neu geschaffenen Plateus bilden. Das ermöglicht zum einen das Arbeiten von Groß und Klein und zum anderen schafft es neue nutzbare und definierte Teilräume, auf denen man vielleicht mal eine Tischtennisplatte oder einen Grill mit Sitzgruppe stellen kann. Also auch wieder Orte des Treffens, aber vielleicht in einem kleineren Rahmen. Bei den Innenräumen liegt dann wie gesagt der Fokus auf der Kirche und der Schulscheune:​ Mit der zu sehenden Textilinstallation soll die Nutzung als reines Gotteshaus um säkulare Zwecke (Konzerte, Filmvorführungen, Theater) erweitert werden. Die Textile überlagern mit verschiedenen Blickdichten die Barocke stark religiöse Ornamentik und Farblichkeit und verkleinern gleichzeitig den zu beheizenden Raum. Zusätzlich gibt es unter der 1. Empore noch einen neuen Warmraum, der als Raum der Ruhe wie ein neu gedachter Beichtraum gesehen werden kann. Bei der Schulscheune sind die Maßnahemen dann deutlich weitreichender. Hier handelt es sich um eine Grundertüchtugung des Gebäudes:​ Innenwanddämmung mit Wandheizung, wobei die Technik im Keller des Schulhauses untergebracht wird, damit bei späterer Sanierung davon die Technik an einem zentralen Ort gelagert ist. Sie erhält vollumfänglich ein neues Dach mit Aufsparrendämmung, wobei alte Ziegel so gut es geht erhalten und wiederverwendet werden sollen. Im Teilbereich oberhalb des neuen Café-/Veranstaltungsraum werden die lose aufgelegten Holzdielen herausgenommen, sodass der Raum mehr Höhe bekommt. Zusätzlich wird die nachträglich eingebaute Treppe entfernt, sodass der Raum im Obergeschoss über den neuen Innenhof erreichbar ist. Während dieser Raum für wechselnde prophylaktische medizinische Angebote zu Verfügung stehen soll, sind die Räume im Erdgeschoss mit Küche und Verkaufstheke als Pop-up Café gedacht. Außerdem könnte ein Dorfregal mit Waren des täglichen Bedarfes installiert werden und bei Nichtnutzung als Café dient es auch als mietbarer Veranstaltungsort für Geburtstage. Beim Schulhaus wird in dieser Entwicklungsphase lediglich eine neue Außentür zum großen Saal eingefügt und im Flur zu den vorhandenen WC-Anlagen eine Tür um die Nutzung der Toiletten-Anlagen bei nicht geöffnetem Schulhaus zu ermöglichen.

Bei der Bearbeitung des Areals und der selbstgewählten Aufgabe kamen oft Zweifel auf, ob es Niedergrunstedt als Ort nicht fast "zu gut" geht. Denn natürlich profitiert Niedergrunstedt durch seine Lage von den Städten Weimar und Erfurt in gesellschaftlichen, soziologischen und ökonomischen Bereichen. Die aktuelle Haltung, die sich im Laufe der Projektarbeit – insbesondere bei den gemeinsamen Workshops mit engagierten Bürger*innen aus dem Dorf – entwickelt hat:​ Solche Projekte können nicht nur mit Fördergeldern entstehen und umgesetzt werden, sondern es braucht die Menschen und deren Engagement, um das – im besten Fall aufgetriebene – Geld auch sinnvoll und Früchte tragend zu investieren. Nur dann sind (Förder-)Gelder, die aus den (Steuer-) Beiträgen der Gesellschaft oder Vergleichbarem stammen, nachhaltig investiert. 
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