Daseinsvorsorge
Anlass des Baus war, dass die einzige Hausarztpraxis in Auerbach Anfang 2021 dringend neue, barrierefreie Räume suchte und der Wegzug drohte. Um sie am Ort zu halten, beschloss der Gemeinderat im August 2021 die Arztpraxis selbst in einem kommunalen, geförderten Wohnungsbau mit sieben Wohnungen von 2 bis 4 Zimmern zu errichten. Bürgermeister Gerhard Weber betonte dabei, dass sowohl die Sicherung der Gesundheitsversorgung als auch von preiswertem Wohnraum zur Daseinsvorsorge im ländlichen Raum gehört.
Zusätzlich sollten ca. 40 öffentliche Parkplätze zur Entlastung des an der B 533 gelegenen benachbarten Ortszentrums mit Kirche, Rathaus, Wirtshaus und Einkaufsmöglichkeiten sowie für den nördlich davon liegenden Sportverein entstehen.
Klimaschutz
Das Bauwesen ist mit einem weltweiten Anteil von ca. 40% des CO2-Ausstoßes einer der Hauptverursacher des Klimawandels. Deshalb wollte die Gemeinde auch beim Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen. Um den Energiebedarf im Betrieb zu minimieren, ist das ganze Gebäude im Energieeffizienzstandard 40 EE (erneuerbare Energien) und nachhaltigkeitszertifiziert gebaut.
Um auch die CO2-Emissionen beim Bau niedrig zu halten, sind alle Wohnungen in Holzrahmenbauweise errichtet. Im Gebäude sind so 256 Tonnen CO2 langfristig gebunden.
Erneuerbare Energien
Eine bivalente Luft-Wasser-Wärmepumpe versorgt das Haus mit Wärme und Kälte. Der Strom dafür stammt überwiegend aus der 120 qm großen Photovoltaikanlage auf der Südfläche des Dachs. Die Wärme wird über Fußbodenheizungen verteilt. Durch die niedrigen Heizkosten fällt auch die „zweite Miete“ aus den Nebenkosten sehr niedrig aus! Zusätzlich kann die Arztpraxis über eine mechanische Lüftungsanlage gekühlt werden, was im Sommer mit PV-Strom nichts kostet und keine Emissionen verursacht.
Soziale Infrastruktur
Die sieben Wohnungen wurden durch die Wohnungsbauförderung und das Förderprogramm Holz des Freistaats Bayern sowie mit Zuschüssen der KfW-Bank gefördert. Dies machte einen hohen Energiestandard auch für günstige Wohnungen möglich.
Die vier Wohnungen im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss sind natürlich barrierefrei. Fast alle Wohnungen haben großzügige Loggien, die räumlich voneinander abgeschirmt sind, um gegenseitige Störungen zu vermeiden.
Kulturelle Kontinuität
Die Praxis im Erdgeschoss ist bewusst als weiß verputzter Mauerwerksbau ausgeführt. So erinnert das Gebäude an die ortstypischen historischen Einfirsthöfe in Holzblockbauweise mit ihren teilweise gemauerten Erdgeschossen (s. Vorbild, denkmalgeschütztes Bauernhaus in Auerbach-Hitting).
Der sehr bewegte Grundriss mit Vor- und Rücksprüngen wird durch die umlaufenden größtenteils tragenden Lärchenstützen und die Rankgerüste aus Lärchenleisten wieder zu einem ruhigen, geschlossen wirkenden Baukörper.
Der Gemeindebau schließt das nördlich direkt angrenzende, vorher zur Landschaft offene Gewerbegebiet (Raiffeisenbank mit Lagerhaus) zu einem Vierseithof und schafft mit den vorhandenen Gehölzstrukturen wieder ein dorfgemäßes Ortsrandgefüge (s. Eingabeplan, Lageplan).
Wertschöpfung vor Ort
Das Bauholz stammt weitestgehend von Auerbacher Waldbauern und wurde im örtlichen Sägewerk verarbeitet. Lediglich die langen, außenliegenden, tragenden Lärchenstützen mussten zugekauft werden. Dadurch wurden die Transportwege für einen Großteil des Baumaterials minimiert und die regionale Wertschöpfung gestärkt.
Natur-Hoiz-Haus
Der Holzrahmenbau ist nach dem „Natur-Hoiz-Haus-System“ der Zimmerei Eiler, Ringelai, fast ausschließlich aus Schnittholz, ohne industrielle Holzwerkstoffe gebaut. Die Wände sind mit diagonal vernagelten Brettern ausgesteift, die beim Schneiden der Kanthölzer als sog. Seitenware, also als Abfallprodukt anfallen. Die sog. Mann-an-Mann-Massivholzdecken sind aus holzverdübelten Balken von der Zimmerei gefertigt und sogar die Hobelspäne werden - mit dem Flammschutzmittel Lehmpulver versetzt - als Dämmstoff in den Außenwänden und der Dachfläche genutzt. Die Baumstämme werden also nahezu vollständig verwertet. Die Beschwerung der Holzdecken für den Schallschutz erfolgte mit Split aus dem örtlichen Granitwerk.
Ein traditionelles, zukunftsfähiges Haus
Es entstand ein hochmodernes, zukunftsfähiges, rundum nachhaltiges Gebäude – fast wie vor 100 Jahren. Holz aus heimischen Wäldern, chemiefrei, ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig, aus der Gemeinde für die Gemeinde.