In der Debatte um globale Themen wie wachsende Urbanisierung, Landflucht und Armutsbekämpfung spielt die Suche nach lokal wirksamen Lösungsvorschlägen eine wesentliche Rolle. Für Architekten stellt sich die Frage nach dem Beitrag ihrer Profession in diesem Kontext. Das Fachgebiet Entwerfen und Baukonstruktion von Prof. Pasel an der TU Berlin hat sich dieser Aufgabe mit einem interdisziplinären und langfristig angelegten Projekt für das andine Dorf Bella Vista in Bolivien gewidmet. In einer internationalen Kooperation mit der gemeinnützigen Organisation Fundación Cristo Vive Bolivia, die sich der Armutsbekämpfung in Lateinamerika widmet, haben 40 Studierende der TU Berlin unter Leitung von Prof. Pasel und seinem Assistententeam den Bau einer Landwirtschaftsschule entworfen, geplant und gemeinsam mit den lokalen Partnern vor Ort eigenhändig umgesetzt. Die seit 2013 laufende Kooperation hat zum Ziel, die von der NGO gegründete Berufsschule Instituto Tecnológico Sayarinapaj für den Bereich Landwirtschaft nicht nur räumlich zu erweitern, sondern vielmehr ein integrales, langfristiges Konzept für einen Agronomie Campus als Vorzeigeprojekt zu entwickeln. Der Campus, auf dem jungen Menschen eine berufliche Perspektive auf dem Land geboten wird, wird zu einem Innovationszentrum im Bereich der integralen Berufsausbildung, Wasser- und Abfallmanagement und der ökologischen Landwirtschaft in der Region entwickelt.
Kontext
Das Gebäude steht auf einer etwa 4000 m2 großen agrarischen Anbaufläche, die als solche seit einigen Jahren von dem landwirtschaftlichen Zweig der bestehenden Berufsschule genutzt wird. Das Gelände des neuen Schulbaus liegt am Rande des Straßendorfes Bella Vista, in dessen Zentrum sich die Berufsschule »Sayarinapaj« befindet. Etwa 15 Gehminuten liegen zwischen dem Hauptgebäude und der neuen Landwirtschaftsschule. Vom Grundstück aus blickt man auf das Tal, in dem sich die Hauptstadt des Bezirkes Cochabamba befindet. Circa eine Autostunde entfernt von der Provinzhauptstadt lebt die Bevölkerung hier in dörflichen Strukturen. Die Landschaft ist geprägt von Subsistenzlandwirtschaft und Blumenanbau. Die Anbauflächen dominieren das Bild der Umgebung. Dennoch ist die wachsende Zersiedlung durch unkontrollierte Bautätigkeiten ein sichtbarer Aspekt des sich verändernden Lebensraumes. Das Grundstück befindet sich an der Schnittstelle zwischen dem Cochabamba-Tal mit seinem sonnigen und moderaten Klima und den umgebenden Bergen mit den schrofferen Lebensbedingungen. Nördlich des Grundstückes steigt das Gelände steil an und türmt sich auf zu den bis zu 5000 Meter hohen, kargen Gipfeln der Kordilleren von Cochabamba. Klimatisch sind die hohen Tag-Nacht-Temperaturschwankungen und die starke Sonneneinstrahlung wesentliches Merkmal des Ortes. Sie führen außerdem zu lokalen Winden, die tagtäglich am Tagesende von den Bergen herab ins Tal wehen.
Projektbeschreibung
Der eingeschossige, dem Geländeverlauf folgende Baukörper ist modulartig aufgebaut und bietet 6 flexibel nutzbare Unterrichtsräume. Jeweils zwei Klassenzimmer mit integriertem Laborraum bilden massive Volumen, die das durchgehende Sheddach tragen. Dazwischen liegende, überdachte Außenräume ermöglichen den Übergang zum Feld und die Verbindung zweier Klassenräume zu einem großen Aularaum. Mit einfachen aber wirkungsvollen Mitteln reagiert das Gebäude auf die extremen klimatischen Bedingungen. Das massive Ziegelmauerwerk gleicht die hohen täglichen Temperaturschwankungen aus und sorgt somit für ein angenehmes Raumklima. Einer Überhitzung über die Dachhaut wird durch die hinterlüftete Dachkonstruktion entgegengewirkt. Die Struktur und Ausrichtung des Daches garantieren ausreichende natürliche Belichtung und ermöglichen die optimale Integration einer Solaranlage.