Licht und Schatten - Umgestaltung der Kirche St. Nicolaus und Errichtung eines Lern- und Gedenkortes

Dorothea-Kasten-Straße 5, 22297 Hamburg

Diese Objektpräsentation wurde angelegt von: Zymara Loitzenbauer Giesecke Architekten BDA Partnerschaft mbB


53.6130045 10.0219044 Dorothea-Kasten-Straße 5, 22297 Hamburg
Diese Objektpräsentation und die dazugehörenden Fotos wurden der Heinze GmbH im Rahmen des Heinze ArchitektenAWARDs 2023 zur Dokumentation beispielhafter Architektur zur Verfügung gestellt.

Objektkategorie

Veranstaltungsbauten

Objektart

Sakralbauten

Art der Baumaßnahme

Umbau

Datum der Fertigstellung

04.2022

Anzahl der Vollgeschosse

1-geschossig

Raummaße und Flächen

Bruttorauminhalt
4.795 m³
Nutzfläche
407 m²
Grundstücksgröße
534 m²
Grundstücksgröße
6.970 m²

Kosten

Veranschlagte Rohbaukosten des Bauwerks
840.000 €
Gesamtkosten der Maßnahme (ohne Grundstück)
2.490.000 €

Verwendete Heizenergie

Primär
Sonstige Heizenergie

Energiestandard

Sonstiges

Tragwerkskonstruktion

Ziegelmauerwerk

OBJEKTBESCHREIBUNG 
Die 1889 geweihte Kirche St. Nicolaus in Hamburg-Alsterdorf dient der Evangelischen Stiftung Alsterdorf als spirituelle und liturgische Mitte. Sie ist das letzte vom Stiftungsgründer Pastor Sengelmann initiierte Gebäude auf dem Gelände der früheren Alsterdorfer Anstalten. Die Kirche wurde im neugotischen Stil errichtet und steht unter Denkmalschutz.

1938 wurde das Kircheninnere im Ungeist der Zeit radikal überformt. Das Chorfenster mit einer Glasmalerei des jüdischen Künstlers Melchior Lechter wurde zerstört und ausgemauert. Stattdessen entstand ein monumentales, den Chor hermetisch abschließendes Sgraffito-Altarbild, auf dem im Kreise der heiligenschein-umkränzten Menschen unter dem Kreuz gerade die drei Schutzbedürftigen ohne Gloriole dargestellt sind. Die ausgrenzende Bildaussage, der Entstehungskontext in der Zeit der Verstrickung der damaligen Alsterdorfer Anstalten in den Nationalsozialismus sowie der massive und düstere Raumabschluss beeinträchtigten in den vergangenen Jahrzehnten die liturgische Nutzung der Kirche immens.

Um den Kirchenraum wieder zum östlichen Tageslicht auszurichten und von der Last des Bildes zu befreien, dieses aber gleichzeitig als ein Dokument der Täterkunst aus dem Spannungsfeld Kirche und Nationalsozialismus zu erhalten, wurde es in den Kontext eines Lern- und Gedenkortes in den Außenraum transloziert. Im Ganzen mit der bauzeitlichen Chorwand versetzt, gedreht und auf einer tieferen Ebene positioniert bleibt der unmittelbare Bezug zum Kirchengebäude weiterhin bestehen.

Auf der Rückseite der sichtbar belassenen Backsteinwand – der Kirche zugewandt – sind die Namen der Alsterdorfer Opfer der „Euthanasie“ zu lesen: zwischen 1940 und 1943 wurden 630 Bewohner und Bewohnerinnen der Alsterdorfer Anstalten in nationalsozialistische Tötungsanstalten deportiert, 513 von ihnen nachweislich ermordet.

Nach dem Umbau steht die Kirche St. Nicolaus nun als lichtes Haus eines freundlichen Gottes wieder allen Menschen offen: ohne länger zu bedrücken, aber auch ohne die über 130-jährige Bau- und Nutzungsgeschichte zu verschweigen, die eine wechselvolle Geschichte von Zuwendung und Ausgrenzung, von Aufarbeitung und Erinnerung, von Eingliederung und Inklusion ist.

Der Gedenkort ist Teil des neu gestalteten Kirchplatzes, der die unterschiedlichen Höhen des vorhandenen Geländes anbindet und zwischen der tief gelegenen Sengelmannstraße und dem höher gelegenen Stiftungsgelände vermittelt. Sitztreppen, breite Rampen, Sitzelemente und die Einbeziehung des alten Baumbestandes schaffen eine hohe Verweilqualität und ermöglichen die barrierefreie Erschließung des Quartiers.

Die Architektenleistungen beinhalteten auch die Planung und Gestaltung der Außenfläche mit 2.700 m² sowie des Innenraumes inklusive der Prinzipalstücke.
BESCHREIBUNG DER BESONDERHEITEN 
Umgang mit der denkmalgeschützten Kirche
Das monumentale, den Chor hermetisch abschließende Sgraffito-Altarbild aus dem Jahr 1938 mit seiner ausgrenzenden Bildaussage, der Entstehungskontext in der Zeit der Verstrickung der damaligen Alsterdorfer Anstalten in den Nationalsozialismus sowie der massive und düstere Raumabschluss beeinträchtigten in den vergangenen Jahrzehnten die liturgische Nutzung der Kirche immens. Gleichzeitig steht die Kirche unter Denkmalschutz, dies umfasst auch das Sgraffito-Altarbild. Die architektonische Lösung musste allen Anforderungen gerecht werden.
Das Transferieren der Chorwand stellte sicherlich den radikalsten Eingriff in das Baudenkmal St. Nicolaus dar. Vorausgegangen war ein langer und intensiver denkmalrechtlicher Abstimmungsprozess. Das Versetzen des hermetisch-massiven Raumabschlusses, der erst durch die Zerstörung und das Schließen des ursprünglichen, großen Chorfensters entstanden ist, baute die entstandene Verwundung zurück und revitalisiert und verstärkt den bauzeitlich intendierten Raumeindruck.

Translozierung und Schaffung eines Lern- und Gedenkortes zur Euthanasie
Um den Kirchenraum von der Last des Sgraffito-Altarbildes zu befreien, dieses aber gleichzeitig als ein Dokument der Täterkunst aus dem Spannungsfeld Kirche und Nationalsozialismus zu erhalten, wurde es in den Kontext eines neu geschaffenen Lern- und Gedenkortes in den Außenraum transloziert. Da das Bild untrennbar mit dem Mauerwerk verbunden ist, wurde es in einem technisch höchst anspruchsvollen Verfahren im Ganzen mit der bauzeitlichen Chorwand herausgelöst, versetzt und gedreht im Außenraum positioniert.

Inklusion und Barrierefreiheit
Der Gedenkort ist Teil des neu gestalteten Kirchplatzes, der die unterschiedlichen Höhen des vorhandenen Geländes anbindet. Breite Rampen ermöglichen die barrierefreie Erschließung des Quartiers, bei der die Belange mobilitäts-, seh- und höreingeschränkter Menschen gleichermaßen Berücksichtigung fanden.
Nicht nur das Außengelände, auch der Kirchenraum sollte den Anforderungen der Inklusion genügen und barrierefrei nutzbar sein. Daher wurden die vorhandenen Stufen im Altarraum entfernt und dieser ebenengleich gestaltet.
Altar und Ambo wurden nach den Entwürfen der Architekten gebaut. Die Gestaltung der mobilen Prinzipalstücke folgt den Prinzipien von Kreis und Schichtung. Sie sind sowohl höhenverstellbar als auch unterfahrbar und damit für mobilitätseingeschränkte Menschen gleichermaßen nutzbar.

VERBAUTE PRODUKTE

Innenfarben
Quarzil

Pendelleuchten
Sento sospeso flat

Bodenfliesen
Urban Sand

Außen-Plattenbelag
nube s

Pfosten-Riegel-Fassaden
VISS Fassade

PROJEKTBETEILIGTE FIRMEN UND PERSONEN

Architekt/Planer

Zymara Loitzenbauer Giesecke Architekten BDA Partnerschaft mbB

Im Moore 17b

30167 Hannover

Tel. +49 511 9204525

Bauherr

Evangelische Stiftung Alsterdorf

Alsterdorfer Markt 4

22297 Hamburg


Fachplanung: Tragwerksplanung

Ingenieurbüro Nachtwey

Schaufelder Straße 9

30167 Hannover


Fachplanung: Beleuchtung

Ulrike Brandi Licht GmbH

Bei den Mühren 88

20457 Hamburg

Tel. +49 40 369635-0

Fachplanung: Elektrotechnik

JLM Planung GmbH

Schwedenring 26a

24619 Bornhöved

Tel. +49 4323 900290

Fachplanung: Gebäudetechnik

Ingenieurbüro Carstens VDI

Reichsbahnstr. 25

22525 Hamburg

Tel. 040/57144861

Fachplanung: Schallschutz, Raumakustik

Carsten Ruhe - hörgerecht planen und bauen

Rethwisch 10

25497 Prisdorf


Fachplanung: Brandschutz

Assmann Schmidt Ingenieure

Sandstr. 18

23552 Lübeck

Tel. +49 451 70782020

Sonstige

Bennert GmbH

Meckfelder Straße 2

99102 Klettbach


Architekturfotografie

Bernd Perlbach

Klosterhof 10

24211 Preetz

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