Seit Jahren wird eine wachsende Anzahl von Kirchen aus der Nutzung genommen. Nun sind Kirchen keine gewöhnlichen Immobilien, die zu marktüblichen Bedingungen gehandelt werden könnten: Sakralbauwerke verkörpern vielseitige Aspekte, weshalb nicht nur die Kirchengemeinde, sondern darüber hinaus oftmals auch die Öffentlichkeit ein großes Interesse an ihrem Erhalt hat. So auch in Bochum, wo die St. Marienkirche mit ihrem weithin sichtbaren, oktogonal aus Backstein gemauerten Turm das Stadtbild prägt. Die Entscheidung, sie zu einem „Standort mit musikalischem Profil“ auszubauen, sichert dem ehemaligen Gotteshaus weiterhin den Bestand.
Im September 2002 fand das letzte Hochamt in der St. Marienkirche statt; kurz darauf wurde das in den Jahren 1868 – 1872 erbaute Gotteshaus profaniert und geschlossen. Der Abriss schien nur noch eine Frage der Zeit. Doch viele Gemeindemitglieder und auch Kunsthistoriker kämpften für den baulichen Erhalt des als „nicht denkmalwert“ eingestuften Gebäudes: Mit seinem außergewöhnlichen Glockenturm ist es identitätsstiftendes Bauwerk und städtebauliche Dominante der Bochumer Innenstadt zugleich.
Der Neubau des Anneliese Brost Musikforums auf dem benachbarten Marienplatz bot die ersehnte Chance für eine neue Nutzung. Zu beiden Seiten der Kirche wurden neue Baukörper angeordnet, die sich an der Länge des Kirchenschiffs orientieren und innenräumlich mit diesem verzahnt sind. Seither bildet der Kirchenraum das Foyer des Musikzentrums und damit das Zentrum des neuen Ensembles: Auf der Südseite der Kirche befindet sich der Konzert- und Veranstaltungssaal, auf ihrer Nordseite ein kleinerer, multifunktional nutzbarer Saal. Die beiden Baukörper wurden über niedrige Zwischenbereiche so an das Kirchenschiff angeschlossen, dass die bestehenden Kirchenfenster beibehalten werden konnten.
Besucher gelangen von der Viktoriastraße aus über drei Stufen von Süden oder aber von Norden über eine Rampen- und Treppenanlage in den früheren Chor der Marienkirche. Drei Chorfenster ziehen hier alle Blicke auf sich. Bemerkenswert ist die filigrane, sehr graphische Zeichnung der Motive, nur durch wenige Farbflächen in warmen Rottönen kontrastiert. Der Bochumer Glasmaler Heinrich Wilhelm hatte sie 1969 in der Werkstätte von Derix gestaltet. Die künstlerisch wertvollen Fenster waren nach der Schliessung der Kirche ausgebaut und eingelagert worden. Nun wurden sie restauriert und wieder an ihren ursprünglichen Ort zurückversetzt.
Ein Schmuckstück ist die restaurierte Kirche allemal. 15 Jahre bürgerschaftliches Engagement, unzählige Aktionen und Benefizveranstaltungen, die Hilfe vieler Förderer und Unterstützer und nicht zuletzt über 20.000 Spender haben den Bau des Anneliese Brost Musikforums mit der Kirche als funktionalem Mittelpunkt ermöglicht. Die neue Spielstätte der Bochumer Symphoniker, der Musikschule Bochum und weiteren Akteuren der freien Musikszene wurde Ende Oktober 2016 feierlich eröffnet. Das sogenannte Musikforum bildet nicht nur das neue Zentrum des aufstrebenden Stadtviertels Viktoria Quartier: Es soll auch ein Ort der Begegnung und des kulturellen Austausches für alle Bochumer Bürger sein.