Historische Situation
Das Gebäude wurde 1568 als Hoftaverne des Benediktinerklosters erbaut. Die heutige Kubatur stammt aus einem Umbau von 1696. Nach der Säkularisation setzte sich die Nutzung als Gaststätte unter schwierigen Bedingungen fort. In den 1960er Jahren erfolgte eine Erweiterung des Gasthofs um ein Bettenhaus.
Im Jahr 1979 wurde die Gaststätte zur „Waldwirtschaftsschule Hohenkammer Oberbayern“ umgenutzt. Zur weiteren Ausweitung der Bayerischen Waldbauernschule wurden Schülerzimmer und Maschinenräume hinzugefügt.
Das Gebäude liegt als Insel in der Ortsmitte, zu Füßen der Benediktinerklosteranlage. Der Auftakt erfolgt durch die Mariensäule und den Maibaum, vor einem belebten Grünbereich mit Spielplatz. Der historische Giebel wurde verändert und durch eine abgrenzende Querbebauung erweitert. Der Wirtschaftshof mit einer Tankstelle und Werkstätten dient der Hangsicherung.
2003 zog die Waldbauernschule nach Kelheim um, und die Gebäude standen leer. 2006 übernahm die Gemeinde Scheyern das Areal und nutzte es gewerblich durch verschiedene Mieter.
Ziel ist der Erhalt des denkmalgeschützten Baudenkmals mit dem herausragenden Kehlbalkendach sowie die Sicherstellung einer Gemeinbedarfsnutzung für das gesamte Gelände. Im Jahr 2017 fand eine Bürgerbeteiligung statt, die in einem Architekturwettbewerb mündete.
Neue Situation
Im Zuge der Sanierung wurden die nichthistorischen Ergänzungsbauten und Nebengebäude abgebrochen, sodass das denkmalgeschützte Gebäude freigestellt wurde. Die historischen Sichtachsen von der Mariensäule bis zum Klostervorbereich wurden wiederhergestellt. Der Neubau fügt sich giebelständig in das Ensemble ein. Die Hangsicherung erfolgt durch ein Nebengebäude und Außenanlagen, die die Gesamtanlage harmonisch in das ansteigende Gelände einbetten. Der Altbau wurde hinsichtlich der historischen Ansichten und Raumaufteilung restauriert, gleichzeitig aber mit einer modernen, barrierefreien Erschließung ausgestattet, die sich in der Materialsprache des Neubaus zeigt. Alt und neu stehen respektvoll nebeneinander, ergänzen sich sowohl optisch als auch inhaltlich. Zusammen mit dem Maibaum und dem Dorfplatz bildet das Ensemble nun die neue Ortsmitte. Die Wegeführung ist eindeutig, zentral und barrierefrei – auch in der bewegten Topographie.
Nutzung
Das Areal bietet Platz für verschiedenste öffentliche Nutzungen in der neuen Ortsmitte. Hier entsteht ein Freiraum, der Raum für vielfältige Veranstaltungen sowohl in als auch um die Gebäude bietet. Die durchgehenden Verbindungen und Sichtachsen schaffen eine Verbindung zwischen Berg und Tal und führen durch die neu gestaltete Ortsmitte.
Bürgerhaus
Im Erdgeschoss wird die historische Gaststätte wieder eingerichtet. Die Gaststube im historischen Gastraum wird mit ihrer schwarzen Holzbalkendecke und den traufständigen Haupteingängen restauriert. Historische, kreuzförmige Erschließungswege und Treppen werden wiederhergestellt bzw. als Relikte zugänglich gemacht. Die Gaststätte wird für besondere Veranstaltungen im historischen Eiskeller erweitert.
Im Obergeschoss finden sich Kursräume und ein Standesamt. Der historische Tanzsaal wird restauriert, dabei wird die wiederentdeckte barocke Holzdecke saniert. Ein neuer Bürgersaal im Dachgeschoss bietet einen optisch durchgehenden Dachstuhl über die gesamte Gebäudelänge. Die technischen Einbauten sind unsichtbar und die Dachfläche geschlossen. Eine minimalistische Stahlfluchttreppe wird behutsam in das Gebäude eingefügt, die über alle Geschosse führt. Die barrierefreie Erschließung erfolgt durch einen modernen, schlichten Anbau am rückwärtigen Giebel. Dieser Anbau besteht aus filigranem Stahlbau mit einem gläsernen Aufzug, einer durchlässigen Holzverkleidung, die in der Materialsprache des Neubaus gestaltet ist, und einer wandelbaren Lichtskulptur, die je nach Standpunkt und Tageslicht verschiedene Erscheinungsbilder zeigt. Die Lattenstruktur des Neubaus wird in der Gaststube als Vertäfelung fortgeführt.
Historische Elemente werden wertgeschätzt und wiederverwendet: So finden sich historische Fichtendielen als Bodenbelag in den Kursräumen, eine historische Holzstütze wird zur Garderobe im Obergeschoss, und Schmiedearbeiten (Schriftzüge, Leuchten, Steintafeln) werden ebenfalls wiederverwendet.
Rathaus mit Bücherei
Das Rathaus und die Bücherei bestehen aus einem vorgefertigten Holz-Skelettbauweise auf zwei Ebenen. Im Keller befindet sich eine Technikzentrale für Elektroinstallation und Heizung, die sowohl für den Alt- als auch den Neubau zuständig ist.
Freiraum
Das Nebengebäude mit Lagerraum, Müllraum und Carport/Stellplätzen auf zwei Ebenen fängt die steil abfallende Topographie ab und ergänzt den Platz um eine zusätzliche Raumkante. Diese Fläche kann bei Festen auch als Ausschank genutzt werden.
Bespielbare Sitzstufen definieren den Übergang vom Dorfplatz hin zur Terrasse und den Grünanlagen. Der wertvolle Baumbestand wird erhalten und ergänzt. Eine erhöhte Terrasse vor der Gaststube lädt zum Verweilen ein und bietet einen schönen Überblick über die neue Ortsmitte.
Der Lesegarten stellt eine Brücke zwischen Neubau und der bestehenden Grünfläche dar.
>> Für die Bürgerinnen und Bürger von Scheyern entstand ein lebendiger Ort, aus alt und neu, historisch und modern