Vorausgegangen war der einstimmige Stadtratsbeschluss in 2014 für das neue Radverkehrskonzept Erfurts als Teil des Verkehrsentwicklungsplanes und zuvor eine intensive Bearbeitung seit 2011 unter Federführung des Amtes für Stadtentwicklung und Stadtplanung mit umfänglicher Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit in Form von fünf Workshops.
Im Unterschied zur Vergangenheit hat sich ein starker Bewusstseinswandel in der Philosophie des Radverkehrs vollzogen. Das neue Radverkehrkonzept trägt diesem Wandel Rechnung. Neben dem Ansatzes, den Radverkehr als System zu betrachten, gehören zu einer Förderung des Radverkehrs und einer Verbesserung des Fahrradklimas in Erfurt neben dringend notwendigen Ergänzungen und Verbesserungen in der Infrastruktur der Radverkehrsanlagen und bedarfsgerechter Ausstattung mit Fahrradabstellanlagen auch eine verstärkte Einbeziehung der Öffentlichkeit, die zum Verständnis und zur Akzeptanz neuer Lösungen und zu einem rücksichtsvolleren Verhalten miteinander führen soll.
Ziel all dieser Maßnahmen ist es, den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr bis 2020 auf 15% zu steigern und das Radverkehrsklima in Erfurt spürbar zu verbessern.*
Mit dieser nördlichen Fahrradstation - als Pendant zur südlichen Anlage - wurde der Nachfrage an sicherer, witterungsgeschützter Abstellmöglichkeit Rechnung getragen und gleichzeitig dem Chaos flächig ausufernder Drahteselhorden Einhalt geboten.
Die maximale Bahnhofsnähe ist für Funktionstüchtigkeit und Nutzerannahme von Bedeutung, denn der Bonus der Radnutzung liegt in der individuellen Beweglichkeit und Erreichbarkeit des Ziels. Dazu wurde ein städtisches Restgrundstück - der Zipfel einer städtischen Grünanlage - ausfindig gemacht, das für diese keine Bedeutung hatte, sondern zwischen Fussweg, Treppe und Rampe von der Fluchtwegsbrücke des Bahnhofs als Dreieck übrig blieb. Diese Restflächen sind i.d.R. unauffällig, nicht so störend und oft mit Blumenrabatten ein wenig aufgehübscht … aber völlig unterschätzte Flächenpotentiale für funktionale Bedürfnisse einer Stadt wie bspw. Fahrradparkhäuser.
Die bislang ungenutzte Grünfläche im hochfrequentierten südlichen Bahnhofsbereich wurde mit der Fahrradstation funktional zweckmäßig besetzt. Damit kann der bisher stadträumlich störenden Fehlnutzung durch abgestellte Fahrräder an Geländer und Straßenbeleuchtungen entgegen gewirkt und somit dem Straßenraum am südlichen Bahnhofshauptzugang unter Erhaltung des zum Flutgraben gelegenen grünen Walls zu einer neuen geordneten Erscheinung verholfen werden.
Das Bauwerk selbst ermöglicht mit der hohen Präsenz im öffentlichen Sichtfeld eine neue Auftaktsituation am ICE-Bahnhof im Süden. Durch die Insellösung besteht ein freier Blick sowie eine gute Einsehbarkeit und Übersichtlichkeit der Anlage.
Mit der allseitigen Zugänglichkeit über das vorhandene Wegesystem ist eine soziale Kontrolle rund um die Uhr gewährleistet zugunsten eines hohen Sicherheitsgefühls gegenüber potentiellem Vandalismus, Übergriffen, Diebstählen u.ä..
Diese erhöhte Sichtbarkeit wird in den Abend- und Nachtstunden durch eine in den Dachflächen integrierte Beleuchtung unterstützt. Sämtliche Oberflächen der Dachflächen, der Verkleidung und der Aussenhaut entsprechen einer robusten und hochfrequentierten Nutzung: transluzente, stapazierfähige Materialien, wie z. B. kugelgestrahltes Streckmetall und Polycarbonat.
Dieses Grundstück kann in höhenmäßigem Versatz effektiv 218 Radparkplätze aufnehmen, größtenteils in Doppelparkern gestapelt für eine rasche allseitige Bedienung. Ein Kernraum soll künftig mit zusätzlichen Schließfächern für Helme, Regenschutz, Fahrradbeleuchtung, o.ä. eine integrierte Servicestation (Selbstbedienung) und Akku-Auflademöglichkeiten für E-Bikes einen extragesicherten Abstellraum bieten.
Die dreieckige Grundstücksform und die dem Geländeverlauf folgenden, wegeparallelen Dachflächen in zwei Höhen verhelfen der Radstation am Spielbergtor zu einer signifikante Plastizität mit Wiedererkennbarkeit und und zur gestalterischen Aufwertung des Bahnhofszugangs von der Südseite.
Der schlicht mit Streckmetall verkleidete Stahlbau und die expressive Form übertragen dem eigentlichen „Fahrradschuppen“ thematisch das Motiv der Dynamik und Bewegung und bereichert Erfurt um ein Stadtmöbel.