In keinem anderen Neubau in Deutschland wurde bisher ein höherer Anteil an Gebrauchtmaterialien verbaut.
An der Endlichkeit der Ressourcen gibt es seit mehr als drei Jahrzehnten keinen Zweifel. Ebenso lang werden Lösungsvorschläge für die Probleme des Klimawandels auf nachfolgende Generationen verschoben. Auf das Konto des Bausektors gehen weltweit 50% des Ressourcenverbrauchs, 50% des Müllaufkommens, 40% des Energieverbrauchs und 33% des Wasserverbrauchs. Bestrebungen, die negativen Umweltauswirkungen des Bauens zu verringern, beschränkten sich in der jüngeren Vergangenheit meist auf die Reduzierung der Verbrauchsenergie von Gebäuden in deren Betrieb. Die Energie- und Ressourcenaufwendungen für die Gebäudeherstellung stehen hingegen noch selten im Fokus, obwohl der Anteil der „grauen Energie“ bei Neubauten in Bezug auf den Gesamtenergiebedarf mit ca. 40% - 60% erheblich ist.
Neben einer generellen Reduktion von Bautätigkeit und Flächenversiegelung ist eine Strategie zur Verringerung des Ressourcen- und Energieverbrauchs das Herstellen von geschlossenen Stoffkreisläufen bei der Gebäudeproduktion. Hierzu zählt sowohl das Wiederverwenden und Recyceln von Bauteilen und Baustoffen, als auch der Einsatz von recyclingfähigen Produkten und eine recyclinggerechte Bauweise. Die Möglichkeiten und Grenzen wurden im Pilotprojekt Recyclinghaus umfassend praktisch erprobt und dokumentiert.
Es kamen sowohl industrielle Recyclingbaustoffe, als auch eigens für das Bauvorhaben beschaffte Gebrauchtmaterialien und -bauteile zum Einsatz. Die Bauteile wurden recyclinggerecht verbaut, sind im Falle des Rückbaus also wieder ohne Qualitätsverlust dekomponierbar.
Der Rohbau wurde recyclingfähig in einstofflicher, leimfreier Massivholzbauweise erstellt. Fundamente und Bodenplatte wurden aus Recyclingbeton hergestellt und mit verschiedenen Produkten aus dem Glasrecycling - Schaumglasschotter, Schaumglasgranulat und Schaumglasplatten – gedämmt. Verschiedene Recyclingsplitte wurden für den Terrazzofußboden und als Tragschichten und Zierflächen in den Freianlagen verwendet. Die Fassadendämmung besteht aus recycelten Kakaobohnen-Jutesäcken.
Ca. 90% der Fassadenbekleidungen sowie alle Fenster und Außentüren wurden aus gebrauchten Bauteilen hergestellt. Innenwände im Erdgeschoss wurden aus Abbruchziegeln gemauert, aus gebrauchten Plattenwerkstoffen vom Messebau wurden Einbaumöbel, Fußbodenaufbauten und Türen gebaut. Gebrauchte Betongehwegplatten dienen aufgestapelt auf den Brettstapeldecken als Estrichersatz und wurden im Freiraum zu Rasensteinen, -borden und Mauern transformiert. Aus gebrauchten Stahlbauteilen wurden Treppenstufen, Podestkonstruktionen, Türzargen und Absturzsicherungen entworfen.
Die „Ernte“ der gebrauchten Bauteile erfolgte lokal. Zum großen Teil stammen diese aus den eigenen Gebäudebeständen der Auftraggeberin, einem hannoverschen Wohnungsunternehmen. Die zufällige Verfügbarkeit von gebrauchten Bauteilen mit ihren festgelegten Eigenschaften, Dimensionen und Mengen erforderte agile, noch während der Bauphase reaktive Entwurfsmethoden im Sinne eines „design by availability“.