Diese Einreichung repräsentiert eine zukunftsfähig bebaute Lücke, weil Leerstände im ländlichen Raum die zu schließenden Baulücken darstellen und dieses Projekt eindrücklich zeigt, welche räumlichen Qualitäten in den zu hunderten leerstehenden Hinterhäusern der Region umsetzbar sind, ohne die Anmutung des Gebäudes und deren stimmigen Volumina wesentlich zu ändern. Die neuen Raumeinheiten im Hinterhaus machen das ansonsten nur sehr schwierig adaptierbare Vorderhaus in Summe wieder zu einer zeitgemäßen und nachhaltig bewohnbaren Einheit und retten dadurch das gesamte Gebäude vor seinem langsamen aber stetigen Zerfall, der durch den Leerstand und die Nichtbenützung droht. Deren Verlust wäre für die regionale Baukultur unermesslich und unwiederbringbar. Der Umstand, dass diese alten Strukturen wiederbelebt und weitergelebt werden ist vor allem mutigen und weitsichtigen Bauherrinnen zu verdanken, die die Qualitäten der alten Substanz schätzen und sich nicht davor scheuen, sich auf den mitunter schwierigeren und finanziell aufwendigeren Weg des Bestandsumbaus zu begeben.
Raumplanung
Die Gebäude dieses typischen bregenzerwälder Straßendorfes reihen sich entlang der ehemaligen Hauptstraße dicht aneinander. Während das Vorderhaus mit seinen Wohnräumen meist nach Süden bzw. zur Straße ausgerichtet wurde, werden die jeweiligen, als Ställe genutzten Hinterhäuser durch die sogenannte Viehgasse miteinander verbunden. Diese räumliche Dichte, in der die Gebäude umseitig von Wegen und Nachbargebäuden eng flankiert werden ist heute einzigartig und kann mit den heute gültigen Baugesetzen nicht mehr realisiert werden. Im Zuge früherer Baumaßnahmen wurde der Dachstuhl des Hinterhauses erneuert. Seither überragt dieser das Vorderhaus in der Höhe um rund 70cm. Weil aufgrund der heutigen Bauabstandsregeln diese Gebäudehöhe als Neubau nicht mehr realisierbar gewesen wäre, fiel die Entscheidung auf den Erhalt des Volumens, wodurch beim Ausbau des Hinterhauses komfortable Raumhöhen realisierbar waren. Somit erfolgte der Umbau ohne jegliche städtebaulichen Änderungen. Versiegelte Flächen um das Gebäude wurden vermieden und so prägt heute vor allem eine neu angelegte Magerwiese das Erscheinungsbild um das alte Bauernhaus.
Architektonisches Konzept
In das Hinterhaus dieses gut erhaltenen Bregenzerwälderhauses wurden neue Raumgefäße integriert, welche den jahrhundertealten Bautypus spielerisch um qualitätsvolle und zeitgemäße Aufenthaltsräume ergänzen. Die neue Gebäudehülle erscheint gegenüber dem vorderen Altbestand historisch bedingt bewusst zurückhaltend und unspektakulär. Erst beim Betreten des überhöhten Schopfes öffnet sich erstmals der Blick in das unkonventionelle Innenleben. Im Gegensatz zu den einfach gehaltenen Räumen des Vorderhauses mit seinen extrem niedrigen Raumhöhen erhält im Hinterhaus jeder Raum gemäß seiner Benützung seine spezielle Geometrie. Insbesondere im Obergeschoss wird das Spiel der unterschiedlichen Deckenausbildungen räumlich erlebbar. Das Durchschreiten von Alt und Neu wird zum alltäglichen Erlebnis. Neben der volumetrischen Ausbildung der Räume spielt die Führung des Tageslichts und mögliche Ein- und Ausblicke in Räumen unterschiedlicher Privatheit eine wesentliche Rolle. Wenige aber hochwertige Materialien finden Einsatz im Innenausbau, wodurch der sparsamen Architektur unserer Vorfahren wertschätzend Rechnung getragen wird.
Soziales Konzept
Das Zusammenlegen von Wohnen und Arbeiten unter einem Dach hat in den Bauernhäusern des früher von großer Armut geprägten Bregenzerwaldes eine lange Tradition. So diente der vordere Teil der Gebäude - das sogenannte Vorderhaus - dem Wohnzweck der Familie, während das Vieh im hinteren Gebäudeteil - im Hinterhaus - seinen Platz hatte. Gleichzeitig wurde vom hinteren Gebäudeteil aus die umgebende Weidefläche bewirtschaftet. Die Bauweise war so äußerst kompakt und bot den Bauherrinnen mehrere Vorteile. Zum einen war sie in der Errichtung und Erhaltung maximal effizient. Andererseits konnte die Abwärme des Viehs im Gebäudevolumen gehalten und genutzt werden. Die größtmögliche Ausnutzung der Wärmeenergie war auch Grundlage für das Layout des Wohngrundrisses. Im Zentrum des Gebäudes war die Küche mit Ofen um den sich sämtliche Aufenthaltsräume situierten. Während es früher die Armut war die zum ökonomischen, ökologischen und regionalen Bauen zwang, ist es heute der Überfluss der Dinge und die damit einhergehenden Probleme die uns heute zur Rückbesinnung fordern. Diese Forderung als Ziel zu definieren und die Schließung der durch Leerstand entstanden Lücke mit zeitgemäßem Raumprogramm zu bewerkstelligen waren wesentliche Triebkräfte und Grundlage in der Entwicklung des architektonischen Gesamtkonzeptes. So war es naheliegend, dass sich das soziale Leben bestehend aus Wohnen und Arbeiten wie damals wieder kompakt unter einem Dach abspielen soll, damit das Gebäude wieder langfristig und nachhaltig bewohnbar wird. Letztlich ist das Gebäude eine Bereicherung für den Ort und Vorbild für viele leerstehende Hinterhäuser im gesamten Bregenzerwald.
Herausforderungen
Die größte Herausforderung lag in den geringen Raumhöhen des beinahe vierhundert Jahre alten Wohnhauses. Gleichzeitig war es diese Einschränkung, die zur Idee der extravaganten Räume im Obergeschoss führte. Auch die höheren Bauteilaufbauten der neuen Wand – und Deckenelemente erforderten besonderes Augenmerk in Planung und Ausführung. Der Technikraum im Erdgeschoss musste ohne Bodenaufbau auskommen, damit die notwendige Raumhöhe für technische Installationen bereitgestellt werden konnte. In Abstimmung mit dem Bestand wurde auf eine besonders schlichte Materialisierung Wert gelegt.