Der Entwurf basiert auf einer Soziologiestudie und auf eigenständigen Grundlagenstudien zum Ort (Umgebungsstudie, Nutzerstudie, Standortstudie), aus denen sich zusätzlich zum Projekt ein Städtebaulicher Vorschlag entwickelte, da sich vom ursprünglich vorgesehen Grundstück abgewendet wurde. Dies wäre direkt auf der Freifläche zwischen Campus und Martinsried verortet gewesen. Durch die Studien erwies sich, dass es städtebaulich und soziologisch keinen Sinn macht ein Gebäude mit hohem Anspruch an privater Nutzung direkt an einem so exponierten und für die Gemeinschaft beider Parteien wertvollen Grundstück, direkt an der zukünftig geplanten U-bahnhaltestelle zu positionieren.
Der Entwurf ist so konzipiert, dass eine Verkettung zwischen den Häusern und eine weitere innerhalb der Gebäude auf horizontaler und vertikaler Ebene stattfindet. Durch die Anordnung der Gemeinschaftsräume wird eine Verbindung zum nächsten Gebäude hergestellt, indem Blickbezüge untereinander möglich werden. Innerhalb eines Hauses sind immer 4 WGs jeweils über 2 Geschosse ausgebildet und werden wahlweise horizontal mit der WG daneben verkettet, indem eine Durchgangsschiebetür geöffnet werden kann.
Architektur im Sozialen Kontext: Soziologiestudie (zur möglichen Vertiefung)
Vgl. Henecka, Hans Peter: Grundkurs Soziologie. 10. udg. utb., 2015
Wir und die Anderen
Ohne eine vom Menschen gestaltete und gedeutet Kultur ist menschliche Existenz nicht möglich.
Routinen und Spielregeln in der Gesellschaft geben Verhaltenssicherheit und sind eine verlässliche Orientierung, sowie eine Entlastung in der Entscheidungsfindung.
Allerdings wird Alltägliches und Gewohntes irgendwann nicht mehr wahrgenommen.
Nur wenn ein Mensch in eine unerwartete Situation gerät beginnt er umzudenken, umzulernen oder zumindest das Bekannte in Frage zu stellen und sein Verhalten und Handeln umzustrukturieren.
angewandt auf den Entwurf:
andersartige Bauweise und Erschließung
andersartiges Wohnkonzept (Studentenwohnhaus anstatt Heim)
Förderung sozialer Begegnungen in verschiedenem Maßstab als unumgängliches Element
Gruppen als Bausteine der Gesellschaft
Durch die zwischenmenschliche Interaktion und Kommunikation entstehen Verknüpfungszusammenhänge und bestimmte Muster (also Strukturen, Funktionen, Prozesse der verschiedenen sozialen Systeme), die ebenso eine Rückwirkung auf das Individuum haben.
Das Individuum ist durch verschiedenen Gruppen mit weiteren verknüpft und verbunden, in denen der Wirkungskreis und die gemachten Erfahrungen liegen.
Individuum --> Familie à Verwandtschaft --> Gemeinde --> … --> Weltgesellschaft
angewandt auf den Entwurf:
Individuum--> WG à Haus --> Wohnkomplex --> Martinsried --> München --> ...
Es entstehen also sozialen Netzwerke durch die Anknüpfung sozialer Beziehungen im Alltag. Gemeint sind soziale Kreise bzw. Gruppen, in dessen Rahmen das Skript der Gesellschaft im Alltag angewandt wird. Generell sind diese Gegenüberstellungen und Beziehung essentiell um das Individuum, die Gruppe und letztlich die Gesellschaft zu verstehen.
angewandt auf den Entwurf:
Wohnkonzept zur Förderung des sozialen Prozesses der Gruppenbildung innerhalb der Studenten
Städtebaulicher Vorschlag zur Verknüpfung beider örtlichen Gruppen in einem Geschehenszentrum
Soziale Aggregate und Gruppen
Soziale Aggregate sind Bezeichnungen von rein statistischen Gruppen, in denen gemeinsame Merkmale und Interessen bestehen, aber keine sozialen Kontakte, sprich wechselseitigen Beziehungen entstehen.
Typisch für große Wohnanlagen ist die Schaffung eines Wohnaggregats. Hier existieren die Bewohner nebeneinander auf dichtem physischem Raum, bleiben sich jedoch fremd.
Funktionelle Aggregate (also Zwangsaggregate) besitzen jedoch durchaus Potential sich zu einer Gruppe und Gemeinschaft zu entwickeln, wenn verschiedenen günstige Bedingungen gegeben sind.
Bedingungen einer sozialen Gruppe:
- Existenz gemeinsamer Motive, Ziele, Interessen, die zusammenführen
- „Wir“-Bewusstsein Mitglieder: wer dazu gehört und Abgrenzung nach Außen
- gemeinsames Werte- und Normsystem, das eine Identität schafft und als Orientierungsgrundlage für soziale Interaktion und Kommunikation nach außen und innerhalb
angewandt auf den Entwurf:
Schaffung der Aufhebung eines Wohnaggregats durch Raumprogramm
Schaffung der Rahmenbedingungen um aus einem zunächst gegebenen Zwangsaggregat eine Gemeinschaft erwachsen zu lassen durch Gemeinschaftsflächen, Blickbezüge, räumlich bedingte Begegnungen
Jede Gesellschaft und jede soziale Gruppe ist durch bestimmte Elemente und Kriterien (Alter, Berufsgruppen, Freizeitinteressen, etc.) definiert und verfügt über eine interne funktionale Differenz. Abhängig davon wird die Gruppe an sich gebildet.
Ab einer Größe von zwei Personen spricht man von einer Dyade, die jedoch streng genommen noch nicht als soziale Gruppe fungieren kann, da nur das aufeinander zugehen oder trennen und somit die Auflösung der Gruppe als mögliche Wege gegeben sind. Bei Wegfall einer Person in einer Dyade ist die Gruppe an sich nicht mehr existent.
Erst ab drei Personen, der Triade, kann von einer Gruppe gesprochen werden, da hier bei Wegfall einer Person immer noch ein soziales Gebilde vorhanden ist. Die 3. Person kann hier entweder eine bekräftigende, beobachtende oder vermittelnde Wirkung einnehmen.
angewandt auf den Entwurf:
Übersetzung der Gruppendynamik in räumlichen Kontext
Campus --> Wohnkomplex --> einzelne WG
Gemeinschaft --> Reduzierung auf eine Triade --> Reduzierung auf privaten Bereich
Es gibt verschiedenen Arten von Gruppen, (Primär – und Sekundär; Formelle und Informelle Gruppen; Groß- und Kleingruppen) die jeweils eine andere Dynamik entwickeln.
Im Rahmen des Projekts soll nur auf die Kleingruppen näher eingegangen werden.
Generell lässt sich eine Teilung in folgende Ebenen erkennen.
Meta (Ideen und Ideologien), Makro (Gesellschaf), Meso (Organisation), Mikro (Kleingruppen)
Kleingruppen
Eine Kleingruppe definiert sich über eine Reihe von Personen, die in einer bestimmten Zeitspanne häufig miteinander im Umgang sind und deren Anzahl so gering ist, dass jede Person in direkter Verbindung zu anderen Personen steht.
Eine Face – to – Face – Relation ist die Basis einer Kleingruppe.
Das menschliche Vermögen von Interaktion und Kommunikation ist physisch und psychisch begrenzt und ab einem gewissen Punkt überfordert.
Formel zur Gruppenbildung (Mitgliederzahl n):
Summe möglicher Zweier - Beziehungen
n*(n -1)
2
Da aber in Gruppen nicht nur wechselseitige Zweier-Beziehungen möglich sind entsteht ein sprunghafter Anstieg der Beziehungsmöglichkeiten.
Summe gruppeninterner Beziehungsmöglichkeiten (n >= 2)
(3n – 2 ^ n+1)+1
2
Kleingruppe: laut Soziologen: 7 – 15 Personen
Eine Kleingruppe lebt durch die enge Beziehung zwischen den Mitgliedern, was bedeutet, dass die persönliche Beteiligung bei zu großen Gruppen geringer ist und die Gruppe in einzelne Teile zerfällt.
Die Vermittlung eines Sicherheitsgefühls durch realisierbare soziale Kontakte muss gegeben sein und das Gefühl akzeptiert zu werden ist ebenfalls grundlegend.
angewandt auf den Entwurf:
Die einzelnen WGs der Studentenhäuser sind innerhalb der vorgegebenen Größenordnung für Kleingruppen gehalten, um eine familiärere Atmosphäre zu erzeugen und Grüppchenbildung zu vermeiden.
Ein zentraler Gemeinschaftsraum von dem aus sich alles erschließt unterstützt die Gruppenbildung.
Blickbeziehungen unterstreichen den Face – to – Face – Charakter einer Kleingruppe.
Für das Projekt existiert eine Broschüre mit sämtlichen Studien mit Grafiken und Bildern, die gerne als PDF nachgereicht werden kann