Die mennonitische Kirche verfolgt seit 4 Jahrhunderten die Ziele der Schlichtheit und der materiellen Bescheidenheit. Entsprechend stellen sich ihre Gotteshäuser dar: zurückhaltend, aber von großer kompositorischer Klarheit. Die Außenmaße entsprechen genau dem Goldenen Schnitt, der Sandsteinboden steigt vom Eingang zur Kanzel fast unmerklich um 12 cm an und verleiht beim Eintritt dem Raum eine Perspektivsteigerung.
Für die mennonitische Gemeinde ist die Kirche kein liturgischer Ort, sondern ein Ort der Gemeinschaft und der Spiritualität. Zunächst wirkt der Schornstein im Kirchenraum befremdlich – dabei ist die Erklärung ganz einfach:
„ Wir sind sonntags nicht einfach zum Gottesdienst gegangen. Wir haben den ganzen Tag dort in froher Gemeinschaft verbracht, wir haben da eigentlich einen Tag lang gewohnt. Im Winter mussten wir heizen, jeder hat etwas Holz mitgebracht“.
So soll es jetzt wieder sein.
Wenn eine Ortsgemeinde eine bestimmte Mitgliederanzahl unterschreitet, löst sie sich auf und veräussert ihre Habseligkeiten und schließt sich einer größeren Gemeinde in der Region an. Die Kirche ist kein Sakralbauwerk, sie wird nicht entweiht, aber sie wird nicht ohne Schmerz weitergegeben.
Im Zentrum der Planung stand die Überlegung, wie dem anstehenden Verfall oder der Zweckentfremdung von historischer Bausubstanz in der Ortsmitte begegnet werden kann. Es zeichnete sich bereits ab, dass die Kirche als Lagerraum oder Werkstatt verwendet werden würde.
Als Dauerwohnsitz ist eine kleine dörfliche Kirche unter Denkmalschutz ungeeignet, denn sie lässt keine wohnungstypische Teilung in einzelne Zimmer zu - sie kann nur als "Ein-Raum-Wohnung" genutzt werden. Das ist für den Dauernutzer nicht oder nur selten akzeptabel, aber für die Nutzung auf Zeit ausgesprochen reizvoll.
Daher kam die Idee der Ferienwohnung: Wohnen auf Zeit ist experimentell wie Zelten oder Segeln oder Wandern mit Biwak. Der Bedarf an umfassendem Komfort tritt in den Hintergrund, weil der zu Hause befriedigt wird. Dafür stellt sich das Bedürfnis nach neuen Perspektiven, nach ungewöhnlichen Reizen und vor allem nach Ruhe und Kontemplation ein.
Die Tiny Church soll nicht von mehr als zwei Personen, vielleicht mit zwei Kindern, bewohnt werden. Sie soll kein Ort der ausgelassenen Geselligkeit sein, sondern still und konzentriert.
Tatsächlich reisen aber oft mehr als zwei Personen miteinander, auch sie sollen untergebracht werden. Dafür sind zwei Tiny Houses addiert worden. Sie stehen im Gegensatz zur Tiny Church und ergänzen diese dadurch vortrefflich: eine hochenergetische Bauweise, die Vermeidung von allem Überflüssigen, die höchstmögliche Konzentration auf das Wesentliche - reduce to the max.
Allen Gästen wird ein Podestlift zur Verfügung gestellt, damit sie den Kirchgarten und die Wohnungen barrierefrei erreichen können.
Der Kirchgarten kann von allen Bewohnern der Tiny Places gemeinsam oder auch separat genutzt werden. Hinter der Kirche dient ein kleiner Anbau der Unterstellung von Fahrrädern, Gartengeräten und Krimskrams. Eine Waschmaschine wird vorgehalten, ein Weinkühlschrank offeriert den Gästen die Spezialitäten der Region, eine kleine Bibliothek enthält garantiert die besten zehn Bücher der Literaturgeschichte. Und natürlich gibt es Wlan, SAT-TV und Brennholz umsonst.
Die Gäste kommen zu unterschiedliche Zeiten aus unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichen Wünsche und Hoffnungen an. Sie lernen sich vielleicht kennen und leben auf kurze Zeit miteinander, oder sie bleiben für sich. Dann gehen sie wieder - zurück in ihre Welt, aber bereichert. Sie haben flüchtig gewohnt und gelebt.