"Lebenswertes und bezahlbares Wohnen für viele verschiedene
Menschen auf begrenztem Raum zu ermöglichen, ist eine der drängenden Aufgaben
unserer Zeit. (...) Wie können künftige Wohnformen gestaltet werden? Wo findet sich der Platz dafür?
(...)
Angesichts von Knappheit und hohen Mieten können Genossenschaften einen
wichtigen Beitrag leisten, um Wohnraum zu schaffen. Wie kann der genossenschaftliche
Gedanke von gemeinsamem Eigentum, geteilter Verantwortung und Selbstorganisation
im Wohnungsbau weiterentwickelt werden? Wie drückt sich dieses Gedankengut in Wohngrundrissen
aus? Wo finden sich geeignete Grundstücke für genossenschaftliches Wohnen?
(...)
In unseren Städten finden sich zahlreiche gute Gelegenheiten für die bessere Nutzung bestehender
Bebauungen durch Nachverdichtung oder Ergänzungsbauten. Ein hervorragendes
Beispiel für dieses Potenzial sind die eingeschossigen Filialen von Supermarktketten
samt zugehörigem PKW-Parkplatz. Auf vielen dieser Flächen lassen sich gemischt genutzte
Gebäude entwickeln. (...) Wie können intelligente Verknüpfungen
von Supermarkt und innovativem genossenschaftlichen Wohnungsbau gestaltet werden?
Anhand eines idealtypischen Grundstückes sollen Entwurfskonzepte für innerstädtische
Nachverdichtung in Form von zukunftsweisendem genossenschaftlichen Wohnungsbau
über Supermarktfilialen entwickelt werden. Die Aufgabe verbindet die Betrachtung soziologischer
Aspekte des Wohnens, marktwirtschaftlicherVoraussetzungen des bezahlbaren Wohnens und stadtpolitischer Themen der Grundstücksnutzung." - Auszug aus dem Wettbewerbsprogramm des JOANES-Preis 2025
Typologie & Materialität
Das zu beplanende Grundstück grenzt nördlich an die Berliner S-Bahn-Station Tempelhof an. Es besitzt eine längliche, dreieckige Form und ist exakt Ost-West ausgerichtet.
Diese Gegebenheiten erfordern, dass Wohnräume trotz des angrenzenden Bahnhofs und der mit ihm einhergehenden Lärmbelastung nach Süden orientiert sind. Darauf reagiert das Gebäude mit mehreren vertikalen "Schichten", die die Räume mit dem größten Ruhebedarf schützen:
1: Sonnenzone und Re-Use-Schallschutzfassade
Ein nicht temperierter Raum, der sich vor den Laubengängen über die gesamte Gebäudehöhe zieht. Sie dient dem Schallschutz und funktioniert gleichzeitig als Gewächshaus. So lassen sich über das ganze Jahr Temperaturen von mindestens 12 Grad halten. Sommerliche Überhitzung lässt sich aktiv durch das Öffnen der Terrassentüren am Fußpunkt der Dachbinder und auf den Dachterrassen und passiv durch den Baumbestand sowie Bewuchs vermeiden.
Die Fassade der Sonnenzone besteht zu großen Teilen aus wiederverwendeten Bauteilen. Die tragende Struktur bilden die Dachbinder des abzureißenden Supermarkts, die jeweils paarweise miteinander verbunden und an das Tragwerk des Gebäudes “gelehnt” werden. Dachlatten aus dem Bestand stellen die Unterkonstruktion für die Fassadenebene dar. Diese besteht aus frei angeordneten, alten Holzfenstern, die die heutigen technischen Anforderungen nicht mehr erfüllen.
2: Laubengänge
Alle Räume werden über einen über die gesamte Gebäudelänge verlaufenden Süd-Laubengang erschloßen. Seine Breite variiert je nach angrenzenden Räumen innerhalb eines Stockwerks: Vor den gemeinschaftlichen Funktionsräumen wie Küchen, Bädern und Arbeitsräumen entstehen großzügige Terrassen, die dank der Sonnenzone stets vor Witterung geschützt sind. Mittels Faltschiebefenstern können alle Allgemeinräume zum Laubengang hin erweitert werden.
3: Wohnstraßen
Die gemeinsam genutzten Wohnstraßenverlaufen entlang der Südlaubengänge. Wo sie sich mit den Nord-Süd-Durchgängen der außen liegenden Erschließung kreuzen zentrieren sich die gemeinschaftlichen Funktionsräume um kleine Plätze. Einer Reihenhausssiedlung ähnelnd sind die Wohneinheiten entlang der Wohnstraße aufgefädelt. Durch das Bespielen ihrer Eingänge durch die BewohnerInnen erhalten die Straßen erst ihren Charakter.
4: Raummodule
Alle Wohneinheiten bestehen aus dem selben, vorgefertigten Holz-Raummodul mit 3,7x7.4m Grundfläche. Sie erfüllen die Grundbedürfnisse an Privatheit, da sie trotz ihrer kleinen Größe mit einer Kochnische und einer eigenen Sanitärzelle ausgestattet sind und dank ihrer Barrierefreiheit relativ große Flächen frei bleiben. Sie sind zudem nach Norden hin orientiert und werden durch die vorangegangenen Zonen bestmöglich vor dem Bahnlärm geschützt. Die geringe private Wohnfläche von ca. 25m2 für bis zu zwei Personen steht den vielen gemeinschaftlich genutzten Wohnräumen gegenüber.
5: Re-Use-Fassade
Das durch die Modulbauweise entstehende Fassadenraster soll, abhängig von aktuellen Verfügbarkeiten auf dem Markt für gebrauchte Bauteile, mit bereits zur Verwendung gekommenen Elementen gefüllt werden.
Die in Holzriegelbauweise hergestellten Außenwände der Module erlauben ein freies Positionieren der Fenstergrößen und -arten und können darauffolgend mit unterschiedlichsten Fassadenbekleidungen verkleidet werden. So entsteht eine Architekturästhetik der Adaptierbarkeit, die Bereitschaft zu optischen Abstrichen und unkonventionellen Lösungen zum Vorteil von urbaner, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit erklärt. Die Fassade wird zur Personifizierung des zirkulären Bauens, zu einer Vitrine ausrangierter Bauteile und schafft Affekte. Warum sieht dieses Gebäude so aus?
Supermarkt
Der Riegel mit den Wohnungen steht auf einer Tischkonstruktion, um eine freiere Grundrissgestaltung des darunterliegenden Supermarkts zu ermöglichen. Im Bereich der Parkplätze schafft das aufgeständerte Volumen einen großen überdachten Bereich. Die Benutzung der Stellplätze muss auf die Öffnungszeiten des Supermarkts begrenzt sein. Überdachte, offen zugängliche Flächen können nämlich wetterunabhängig für Veranstaltungen, für Kinder und als allgemeine Aufenthaltsflächen benutzt werden.
Das 1.OG/Dach des Supermarkts bildet die Schwelle zwischen Quartier und Wohngebäude. Hier finden sich sowohl Allgemeinräume, deren Nutzung den BewohnerInnen komplett freigestellt ist, als auch eine zu vermietende Fläche für Vereine oder gemeinnützige Organisationen, die als Anlaufstelle für das gesamte Quartier dienen. Steter Personenverkehr schafft soziale Kontrolle und dadurch ein Gefühl von Sicherheit, ohne exkludierend zu sein. Diese Nutzung ist zwingend notwendig, damit Erdgeschoßzone und offene Erschließungswege nicht zu Un-orten verkümmern.
Menschen auf begrenztem Raum zu ermöglichen, ist eine der drängenden Aufgaben
unserer Zeit. (...) Wie können künftige Wohnformen gestaltet werden? Wo findet sich der Platz dafür?
(...)
Angesichts von Knappheit und hohen Mieten können Genossenschaften einen
wichtigen Beitrag leisten, um Wohnraum zu schaffen. Wie kann der genossenschaftliche
Gedanke von gemeinsamem Eigentum, geteilter Verantwortung und Selbstorganisation
im Wohnungsbau weiterentwickelt werden? Wie drückt sich dieses Gedankengut in Wohngrundrissen
aus? Wo finden sich geeignete Grundstücke für genossenschaftliches Wohnen?
(...)
In unseren Städten finden sich zahlreiche gute Gelegenheiten für die bessere Nutzung bestehender
Bebauungen durch Nachverdichtung oder Ergänzungsbauten. Ein hervorragendes
Beispiel für dieses Potenzial sind die eingeschossigen Filialen von Supermarktketten
samt zugehörigem PKW-Parkplatz. Auf vielen dieser Flächen lassen sich gemischt genutzte
Gebäude entwickeln. (...) Wie können intelligente Verknüpfungen
von Supermarkt und innovativem genossenschaftlichen Wohnungsbau gestaltet werden?
Anhand eines idealtypischen Grundstückes sollen Entwurfskonzepte für innerstädtische
Nachverdichtung in Form von zukunftsweisendem genossenschaftlichen Wohnungsbau
über Supermarktfilialen entwickelt werden. Die Aufgabe verbindet die Betrachtung soziologischer
Aspekte des Wohnens, marktwirtschaftlicherVoraussetzungen des bezahlbaren Wohnens und stadtpolitischer Themen der Grundstücksnutzung." - Auszug aus dem Wettbewerbsprogramm des JOANES-Preis 2025
Typologie & Materialität
Das zu beplanende Grundstück grenzt nördlich an die Berliner S-Bahn-Station Tempelhof an. Es besitzt eine längliche, dreieckige Form und ist exakt Ost-West ausgerichtet.
Diese Gegebenheiten erfordern, dass Wohnräume trotz des angrenzenden Bahnhofs und der mit ihm einhergehenden Lärmbelastung nach Süden orientiert sind. Darauf reagiert das Gebäude mit mehreren vertikalen "Schichten", die die Räume mit dem größten Ruhebedarf schützen:
1: Sonnenzone und Re-Use-Schallschutzfassade
Ein nicht temperierter Raum, der sich vor den Laubengängen über die gesamte Gebäudehöhe zieht. Sie dient dem Schallschutz und funktioniert gleichzeitig als Gewächshaus. So lassen sich über das ganze Jahr Temperaturen von mindestens 12 Grad halten. Sommerliche Überhitzung lässt sich aktiv durch das Öffnen der Terrassentüren am Fußpunkt der Dachbinder und auf den Dachterrassen und passiv durch den Baumbestand sowie Bewuchs vermeiden.
Die Fassade der Sonnenzone besteht zu großen Teilen aus wiederverwendeten Bauteilen. Die tragende Struktur bilden die Dachbinder des abzureißenden Supermarkts, die jeweils paarweise miteinander verbunden und an das Tragwerk des Gebäudes “gelehnt” werden. Dachlatten aus dem Bestand stellen die Unterkonstruktion für die Fassadenebene dar. Diese besteht aus frei angeordneten, alten Holzfenstern, die die heutigen technischen Anforderungen nicht mehr erfüllen.
2: Laubengänge
Alle Räume werden über einen über die gesamte Gebäudelänge verlaufenden Süd-Laubengang erschloßen. Seine Breite variiert je nach angrenzenden Räumen innerhalb eines Stockwerks: Vor den gemeinschaftlichen Funktionsräumen wie Küchen, Bädern und Arbeitsräumen entstehen großzügige Terrassen, die dank der Sonnenzone stets vor Witterung geschützt sind. Mittels Faltschiebefenstern können alle Allgemeinräume zum Laubengang hin erweitert werden.
3: Wohnstraßen
Die gemeinsam genutzten Wohnstraßenverlaufen entlang der Südlaubengänge. Wo sie sich mit den Nord-Süd-Durchgängen der außen liegenden Erschließung kreuzen zentrieren sich die gemeinschaftlichen Funktionsräume um kleine Plätze. Einer Reihenhausssiedlung ähnelnd sind die Wohneinheiten entlang der Wohnstraße aufgefädelt. Durch das Bespielen ihrer Eingänge durch die BewohnerInnen erhalten die Straßen erst ihren Charakter.
4: Raummodule
Alle Wohneinheiten bestehen aus dem selben, vorgefertigten Holz-Raummodul mit 3,7x7.4m Grundfläche. Sie erfüllen die Grundbedürfnisse an Privatheit, da sie trotz ihrer kleinen Größe mit einer Kochnische und einer eigenen Sanitärzelle ausgestattet sind und dank ihrer Barrierefreiheit relativ große Flächen frei bleiben. Sie sind zudem nach Norden hin orientiert und werden durch die vorangegangenen Zonen bestmöglich vor dem Bahnlärm geschützt. Die geringe private Wohnfläche von ca. 25m2 für bis zu zwei Personen steht den vielen gemeinschaftlich genutzten Wohnräumen gegenüber.
5: Re-Use-Fassade
Das durch die Modulbauweise entstehende Fassadenraster soll, abhängig von aktuellen Verfügbarkeiten auf dem Markt für gebrauchte Bauteile, mit bereits zur Verwendung gekommenen Elementen gefüllt werden.
Die in Holzriegelbauweise hergestellten Außenwände der Module erlauben ein freies Positionieren der Fenstergrößen und -arten und können darauffolgend mit unterschiedlichsten Fassadenbekleidungen verkleidet werden. So entsteht eine Architekturästhetik der Adaptierbarkeit, die Bereitschaft zu optischen Abstrichen und unkonventionellen Lösungen zum Vorteil von urbaner, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit erklärt. Die Fassade wird zur Personifizierung des zirkulären Bauens, zu einer Vitrine ausrangierter Bauteile und schafft Affekte. Warum sieht dieses Gebäude so aus?
Supermarkt
Der Riegel mit den Wohnungen steht auf einer Tischkonstruktion, um eine freiere Grundrissgestaltung des darunterliegenden Supermarkts zu ermöglichen. Im Bereich der Parkplätze schafft das aufgeständerte Volumen einen großen überdachten Bereich. Die Benutzung der Stellplätze muss auf die Öffnungszeiten des Supermarkts begrenzt sein. Überdachte, offen zugängliche Flächen können nämlich wetterunabhängig für Veranstaltungen, für Kinder und als allgemeine Aufenthaltsflächen benutzt werden.
Das 1.OG/Dach des Supermarkts bildet die Schwelle zwischen Quartier und Wohngebäude. Hier finden sich sowohl Allgemeinräume, deren Nutzung den BewohnerInnen komplett freigestellt ist, als auch eine zu vermietende Fläche für Vereine oder gemeinnützige Organisationen, die als Anlaufstelle für das gesamte Quartier dienen. Steter Personenverkehr schafft soziale Kontrolle und dadurch ein Gefühl von Sicherheit, ohne exkludierend zu sein. Diese Nutzung ist zwingend notwendig, damit Erdgeschoßzone und offene Erschließungswege nicht zu Un-orten verkümmern.