Das Grundstück Wiesbadener Landstraße 19 - 25 befindet sich in einem heterogenen Stadtraum, in dem keine eindeutige städtebauliche Ordnung zu erkennen ist.
Durch die bestehende Gebäudestruktur mit Resten gründerzeitlicher Bebauung, Wohnbauten der 60er, 80er und 90er Jahre, Gewerbebauten, Industriebauten und Einfamilienhäusern, wirkt das gesamte Gebiet zerrissen und uneinheitlich. Jedoch wird als verbindendes und themengebendes Element der die Wiesbadener Landstraße flankierende und begleitende Baumbestand wahrgenommen.
Das neue Gebäude übernimmt innerhalb dieses heterogenen Stadtgefüges eine Sonderrolle. Durch die Größe des Projektes wird die Chance eröffnet, inmitten der zerrissenen Bebauungsstruktur einen ruhigen Ankerpunkt zu setzten und Orientierung zu geben.
Grünes Band
Der Wohnbau wird von der Straße zurückgesetzt, um den begleitenden Baumbestand zu erhalten bzw. zu ergänzen. Das Verbindende wird aufgegriffen und fortgeführt: Ein gestaltetes grünes Band entsteht entlang der Wiesbadener Landstraße, unter welchem versteckt die Carport-Anlage, Fahrradabstellplätze und die Mülltonnenanlagen untergebracht sind.
Das Gebäude
Das Gebäude besteht aus vier Mehrfamilienhäusern mit 64 Wohneinheiten (davon 40 geförderte Wohnungen), welche durch Knickungen gegliedert zu einem Baukörper zusammengefasst sind.
Die geknickt gefaltete Fassade gliedert den über 100 Meter langen Baukörper und bricht die typische Monotonie von Zeilenbauten zugunsten einer plastischen und rhythmischen Fassade.
Das Thema der Knickung wird im Bereich der Stellplatzanlage, der Carportanlage und dem grünen Band fortgeführt, wodurch die einzelnen Elemente in Bezug zueinander gesetzt werden.
Aufgrund des vorhandenen Geländeverlaufes wurde ein Souterraingeschoss geplant, darüber liegen das Erdgeschoss, zwei Obergeschosse und ein Staffelgeschoss.
Sämtliche Wohnräume und Freisitze sind nach Südwesten orientiert und auf der von der Straße abgewandten Seite gelegen. Den Souterrainwohnungen sind private Gärten zugeordnet.
Mit der neuen Bebauung entsteht eine Mischung aus freifinanziertem und gefördertem Wohnbau. Das Spektrum reicht von familiengerechten 5-, 4- und 3- ZKB-Wohnungen und seniorengerechten 2- ZKB-Wohnungen für zwei und eine Person.
Durch den geschossweisen Wohnungsmix von senioren- und familiengerechten Wohnungen und das differenzierte Angebot von freifinanzierten und geförderten Wohnungen werden das gemeinschaftliche Zusammenleben mehrerer Generationen sowie die soziale Mischung gefördert.
Altbau
Am südlichen Anfang der Carportanlage befindet sich ein Bestandsgebäude aus dem Jahr 1904, welches in die Gesamtanlage integriert wurde. Das Wohngebäude wurde saniert und die südliche Brandwand gestalterisch an den Neubau angepasst.
Spielstraße
Den Treppenhäusern vorgelagert, an der privaten Erschließungsstraße gelegen, gibt es kleine „Plätze“ mit Bänken als Orte der Begegnung und des Verweilens, welche die Kommunikation fördern und den nachbarschaftlichen Zusammenhalt stärken. Durch die wallartige Carport-Anlage ist dieser Bereich von der stark befahrenen Wiesbadener Landstraße abgeschirmt, und eine ruhige „Spielstraße“ konnte entstehen. Darüber hinaus dient die Carportanlage allgemein als „Schallschutzwand“ und schützt die Gebäude bis zum 3. Stockwerk vor dem Straßenlärm. Ein neuer Spielplatz am nördlichen Anfang der privaten Erschließungsstraße gelegen und unter Bäumen platziert, wird von den Kindern des gesamten Quartiers genutzt.
Materialität, Farbe, Authentizität und Atmosphäre
Das Gebäude ist mit einer Körnung von 3 mm verputzt und in einem Grünton gestrichen. Auf der Ostseite wurden glatt gefilzte Faschen in einem auf die Fassadenfarbe abgestimmten helleren Grün unregelmäßig über die Fassade angeordnet und erzeugen eine lebendige Fassadenstruktur. Die in Holzoptik ausgeführten Fenster bilden einen warmen Kontrast zu dem Grün der Putzfassade.
Als Moment der Bewegung in der Statik des Baukörpers funktionieren die Fallarmmarkisen an den Loggien und Faltschiebeläden an den Stirnseiten, die als Sicht- und Sonnenschutz eingesetzt werden. Diese sind farblich auf die Fassadenfarbe abgestimmt. Die Brüstungen der Loggien und die Faltschiebeläden sind mit Streckmetall verkleidet, welches so angeordnet ist, dass ein Durchblick für die Bewohner nach außen gegeben, ist aber gleichzeitig der Einblick unterbunden wird. Das gleiche Streckmetall wird auch im Bereich der Fahrradabstellplätze und der Mülltonnenanlagen verwendet.
Durch die Vorgaben der Wohnungsbaugesellschaften nach robusten, pflegeleichten und vor allem preisgünstigen Materialien wie Kunststofffenster, Kunststoffböden und Wärmedämmverbund-Systemen geht es zunehmend nicht mehr um das architektonische Merkmal „authentisch“ im Sinne des Natürlichen. Dieses wird ersetzt durch das Konzept der Atmosphäre. Ziel war es, mit den wenigen zur Verfügung stehenden Materialien und Mitteln eine Atmosphäre zu erzeugen, bei der sich die Bewohner willkommen fühlen und das Gebäude eine selbstverständliche Wirkung bekommt.